Yvonne Muller

01 December 2009

November 2009

Am 2. November begann mit Maria die Hochsaison im Geethanjali und bis Mitte März 2010 sind wir komplett ausgebucht. Wir mussten sogar das 4. Zimmer, welches bis anhin nur als Nursing-Room benützt wurde, räumen, um indische Patienten unterzubringen. Alle neuen Anfragen werden auf die Saison 2010/11 vertröstet und auch da habe ich schon feste Buchungen. Wir freuen uns riesig, dass das Geethanjali dermassen gefragt ist, weil es nicht selbstverständlich ist, da der Tourismus sehr leidet. Die Charterflüge aus England, den Skandinavischen Ländern und Russland wurden gestrichen. Deshalb haben besonders die kleinen Gästehäuser, Pensionen und Resorts Mühe, ihre Zimmer zu füllen.

Ich freute mich schon lange auf meinen Geburtstag, den ich zusammen mit meiner Freundin Margaret verbringen wollte. Wir trafen uns bei ihr zu Hause in Kovalam, zum Mittagessen sassen wir in einem neuen Restaurant an der Beach mit Sicht auf die graue See, den wolkenverhangenen Himmel und es schüttete zum Teil Bindfäden. Typisch Monsun. Aber herrlich! Trotzdem war es warm und wir genossen die Stimmung am einsamen Strand.
Später besichtigten wir ein neues 5-Sterne-Hotel, welches auf die kommende Saison eröffnet wird und da ich bereits den General Manager und die Gästebetreuerin kenne, kamen wir in den Genuss einer speziellen Führung durchs Haus. Wir waren beeindruckt und werden gerne mal das Restaurant testen, wenn sie sich eingerichtet haben.
Zum Apéro und Dinner gings weiter ins Leela, wo wir schon fast zu den sonntäglichen Stammgästen zählen. Wir entschieden uns für à la carte und mein Menu stand schon lange fest. Nach einem Martini bianco als Vorspeise Melone mit Parmaschinken, zum Hauptgang ein zartes Tenderloinsteak mit Kartoffeln, dazu eine Flasche Rotwein und zum Dessert Tirami-sù. Mal keinen Reis, kein Curry, keine Chappathis und kein Herbalwater. Was für ein Festessen!!! Mit Margaret lässt es sich so herrlich schlemmen und wir genossen den gemeinsamen Abend sehr! Dazu ein exzellenter Service, die gediegene Ambiance auf der gedeckten Terrasse und da der Regen sich gelegt hatte, wars einfach unvergesslich.
Natürlich wurde bei Margaret zu Hause noch bis in die Puppen geplaudert, trotzdem waren wir am nächsten Morgen wieder fit und liessen uns nochmals im Leela beim opulenten Frühstücksbuffet verwöhnen. Von Lachs bis zur Mövenpick-Glacé war alles da, was das Gourmet-Herz begehrte. Zum Abschluss überraschte mich Margaret noch mit einer fantastischen Schwarzwälder-Kirschtorte, damit ich zu Hause noch mit Savitha und Shashi feiern konnte. So schön hatte ich mein Wiegenfest schon lange nicht mehr gefeiert!

Shibu holte mich ab und es ging direkt zum Flughafen, um Birgit abzuholen. Nach der Einführung und dem Tee blieb grad noch eine halbe Stunde Zeit für eine kleine Siesta – spürte mein Schlafmanko! - bevor ich mit Dr. Gopika, Maria und Birgit in die Stadt fuhr zum Kinoabend im Goethe-Zentrum. Meine Güte – wir waren absolut schockiert!!! Der Film „Gegen die Wand“ (deutsch/türkischer Award-Film) war dermassen mit derben Sexszenen beladen, Drogen, viel Gewalt mit Blut – unmöglich für das hiesige Publikum und auch für uns! Das brauche ich echt nicht! Zudem schäme ich mich hier für solche Filme, wo die europäischen Frauen und überhaupt die ganze Gesellschaft in ein mehr als schlechtes Bild gerückt werden. Sieht ja so aus, als wären wir alles sexverrückte Prostituierte, die vollgempumt sind mit Drogen und Alkohol, die rauchen und einander umbringen wollen. Besonders, wenn man weiss, dass die Inder ihre Frauen kaum nackt zu Gesicht bekommen... Maria, Birgit und ich waren bestürzt. Dr. Gopika konnte damit umgehen und meinte, es sei ein preisgekrönter Film und hätte schon eine Aussage gehabt. Zudem werden solche Filme auch während den Internat. Filmfestspielen gezeigt. Ja, ich weiss. Ich war jedoch froh, dass die Kinder nicht dabei waren, erfuhr jedoch später, dass er mit „nicht unter 18 Jahren“ angegeben war. Das hatte ich verpasst. Der Film wurde vom Goethe-Institut Deutschland freigegeben und bereits in allen grossen Städten Indiens gezeigt.

Savitha begleitete mich zum Elterntag in der Schule, wo ich zum ersten Mal die neuen Lehrerinnen der 11. Klasse kennenlernte. Da ich jedoch vorher noch Illings am Flughafen abholte und ins Wild Palms begleitete, kam ich zu spät zum PTA-Meeting (Parent-Teacher-Association). Spielte jedoch keine Rolle, da alle Vorträge in Malayalam gehalten wurden. Somit musste ich nur noch die letzte Viertelstunde der Prinzipalin über mich ergehen lassen, bevor die Eltern bei jedem Lehrer vorstellig wurden und wir hörten, wie sich unsere Kinder während dem Unterricht verhalten, was verbessert werden kann, ob sie genug lernen und die Noten wurden besprochen. Es ging alles prima, auch wenn das Zwischenzeugnis nicht gerade Begeisterungsstürme auslöste. Doch sie hat überall bestanden und das ist ja die Hauptsache.

Zwei Tage vor meinem Geburtstag setzte der Nordmonsun ein und wir waren extrem froh um die starken Regenfälle. Es goss oft auch tagsüber, was sonst nicht üblich ist für diese Jahreszeit, doch nach den heissen Wochen davor, nahmen wir den Regen als Segen – ob nur nachts oder auch tagsüber.

Mitte Monat fuhr ich nach Varkala und besuchte Bea und Ram mit ihren beiden Kindern Luca (5) und Naina (10 Mte). Sie kommen fast jedes Jahr nach Indien und meist planen sie auch einen Abstecher nach Kerala, wo wir uns dann irgendwo in der Nähe treffen. Den süssen Luca kannte ich natürlich schon und er war ganz stolz, seiner kleinen Schwester die gemeinsamen indischen Wurzeln zu zeigen und auch sie fühlte sich wohl hier. Die beiden herzigen Mischlinge wachsen zweisprachig auf – berndeutsch und englisch. Auf dem Weg zum Flughafen kamen sie später noch rasch im Geethanjali vorbei und besuchten Gopikas. Auf ihrer Hochzeitsreise hatten sie Vater Paul dabei und wir erinnern uns noch gerne an den kulturellen Abend, den Dr. Gopika im Madom (Behandlungsraum) organisiert hatte.

Der 4. Todestag von Hans rückt näher – am 23. Januar – und Dr. Gopika organisiert wie jedes Jahr einen Anlass zu seinen Ehren. Mal einen Vortrag über Ayurveda oder sonst ein Thema in einer Schule, mal ein „Free Ayurveda-Medical-Camp“, wo die Leute sich untersuchen lassen können und gratis Medizin bekommen, „Feeding of the poor“ oder sonst was.
Für das kommende Jahr haben wir uns etwas Spezielles ausgedacht. Wir verteilen an 5 Schulen je 10 „Ayurveda medicinal plants“ und im Januar schauen wir, welche Schule die Pflänzchen am besten hegte und pflegte. Die Gewinner bekommen einen Preis und etwas in die Schulkasse.
Das Projekt startete am 16. November, dem ersten Tag des neuen Malayalam Monats. Wir luden den 86-jährigen Vaidya (traditioneller Ayurveda-Arzt) ein, das Geethanjali zu besichtigen. Wir kennen ihn seit ca. 6 Jahren und es war schon immer sein Herzenswunsch gewesen, uns zu besuchen, was jedoch aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich war. Er ist im Kopf noch voll da, doch sein Körper ist sehr schwach, deshalb kann er sein Haus/Praxis in Trivandrum kaum mehr verlassen. Bei schwierigen Fällen bespricht sich Dr. Gopikas gerne mit ihm. Da seine Söhne sich beruflich anders orientierten, wird er eines Tages sein riesiges Wissen mit ins Grab nehmen und deshalb hat er so quasi Dr. Gopika als Nachfolger erkoren, der schon viele wirkungsvolle Rezepturen bekommen hat. Die sind von nirgendwoher mehr zu bekommen, weil sie in den Ayurveda-Dynastien von Generation zu Generation weitergegeben wurden und da inzwischen 1-2 Generationen fehlen (aus mangelndem Interesse an Ayurveda), ist sehr viel Wissen verloren gegangen, da früher nichts aufgeschrieben wurde. Ayurveda wurde gelebt und nicht gross dokumentiert.
Dem Vaidya wurde ein gebührender Empfang bereitet. Er zündete die Öllampe im Garten hinter dem Gästehaus an und pflanzte den ersten „medicinal tree“ – Stachelbeere. Ich hatte die Ehre, ihm die tradionelle Schärpe umzulegen und Dr. Gopika schenkte ihm ein spezielles Buch. Doch keine Reden und keinen weiteren Pomp – um ihn zu schonen. Er liess es sich jedoch nicht nehmen, alles zu besichtigen und er wollte sogar zu Hans hinüber in den Herbalgarden, obwohl jeder Schritt eine Anstrengung war und er unter beiden Armen gestützt werden musste.

Am nächsten Tag haben Dr. Gopika und ich die ersten 10 Pflanzen der „Our Public School“ übergeben. Die Kinder begrüssten uns in der offenen Aula – stehend akkurat in Einerkolonnen, von den Kindergärtlern bis zur 9. Klasse. Eine kleine Privatschule, wo sie wie sonst auch überall Uniformen tragen, aber die Shorts sind oft zu gross, die Röckli schlecht genäht, der Stoff gebleicht vom vielen Waschen, die Krawatten hängen schief oder sind kaum gebunden, da ein Blätz am Knie und dort der Gurt nicht zu. Das gibts in Savithas Schule nicht – da wird extrem aufs Outfit geschaut und alle müssen proper daherkommen. Aber die Kinder sind einfach super süss!
Ich hielt den Chief-Guest-Speach und auch wenn mich die meisten Kinder nicht verstanden, staunten sie aus riesigen Augen und bewunderten meinen pinkigen Sari mit den silbrigen Pailletten. Dr. Gopika erklärte unser Projekt und die Hege der Pflanzen und sie gingen völlig mit. Danach die offizielle Übergabe des Jackfruit-Baum-Setzlings von mir an den Klassensprecher der 9. Klasse und das wars gewesen.
Sie werden die Bäumchen alleine pflanzen und haben von uns auch Dünger dazu bekommen, Umzäunungen, alle Etiketten mit den Malayalam- und botanischen Namen, Harke und Schaufel und ein Botanikbüchlein, wo beschrieben wird, welche Pflege jede Pflanze braucht.
Wenige Tage später erschien ein grosser Artikel im „Indian Express“ mit Foto der Pflänzli-Übergabe und das Echo im Freundeskreis von Gopikas war riesig. Es meldeten sich weitere Schulen, die auch bei unserem Projekt mitmachen möchten und auch sie luden Dr. Gopika und mich als Ehrengäste ein.

Übers Wochenende vom 20.-22. November gab es grossen Gästewechsel, so dass ich 4x am Flughafen war, Maria begleitete ich nach Varkala, die dort noch ein paar Ferientage genoss, drei Einführungen und am Freitag abend fuhren wir mit den Gästen in einen Tempel zu einer Thullal-Vorführung. Den Tempel kannten wir von der grossen Pooja zum 75. Geburtstag von Hans und deshalb war es für Gopikas und mich ein besonderer Abend gewesen, wo wir seine Anwesenheit spürten. Da wir gerade zur Pooja-Zeit kamen, machten auch wir unsere Gebetszeremonien, bevor die Thullal-Vorführung begann. Thullal ist eine alte Kunstform, wo Epen aus dem Ramayana in Versform vorgesungen und getanzt werden. Das Besondere daran war, dass der Thullal-Künstler ein Deutscher war. Ich habe Hartmut Schmidt schon einmal im Thapovan bei Andreas erlebt und war auch damals total begeistert, vor allem weil er ein paar Sequenzen in Deutsch vortrug, so dass wir der Versform folgen konnten und die Geschichte verstanden. War grossartig gewesen und auch die Inder waren begeistert und staunten über seine perfekte Aussprache in Malayalam. Wir unterhielten uns noch mit Hartmut und Nicole und ich wurden gebeten, auf der Bühne ein TV-Interview für den Lokalen Sender Jeeva zu geben. Ein spezieller Abend für uns und unsere Gäste.

Im Dezember wird auch einiges los sein. Savitha stehen noch die grossen Weihnachtsprüfungen bevor und hat lediglich über Weihnachten ein paar Tage frei. Bereits vor Neujahr beginnt der Schulalltag wieder.
Ich bin dran, die 50 restlichen Matratzen fürs Waisenaus SMSS zu organisieren, die ich noch vor Weihnachten übergeben will, damit keines der Mädchen in Zukunft mehr auf dem harten Betonboden oder den Stahl-Kajütenbetten schlafen muss.
Zudem steht nochmals ein grosser Gästewechsel bevor und am 22. Dezember fliege ich über die Feiertage nach Sri Lanka. Mitte Januar fahre ich mit meiner Freundin Monika im Nachtzug nach Goa, wo wir eine Woche Ferien geniessen werden. Wir freuen uns schon sehr auf dieses Abenteuer, da sie Goa und Kerala sehr gut kennt, trotzdem haben wir beide noch nie eine so lange Zugfahrt gemacht. Wenn wir Glück haben, bekommen wir ein Zweierabteil für uns alleine und sonst sind wir eben zu viert.

Deshalb wir das vorläufig der letzte Newsletter sein, da ich nicht weiss, wann ich wieder zum Schreiben komme. Meine Schweizer-Ferien sind auch noch nicht geplant. Frühestens Ende Februar, wenn ich noch skifahren will und würde dann bis Ostern bleibe - habe ich noch nie erlebt! Es kann jedoch auch sein, dass ich erst im Sommer komme. Mein Vertrag läuft Ende Mai aus und falls mein Landlord das Haus als Mitgift für die Hochzeit seiner Tochter braucht, muss ich mich um eine neue Bleibe kümmern. Im Moment wird jedoch rundherum so viel gebaut, dass es sicher mehr Möglichkeiten gibt, als damals vor vier Jahren und ich bin ganz zuversichtlich, dass wir was finden, falls wir wirklich raus müssen. Wenn nicht, verlängere ich den Vertrag gerne noch um ein Jahr, da wir immer noch sehr glücklich sind in unserem Hexenhäuschen. Bis dann hat Savitha ihre Schule abgeschlossen und wir müssen uns um ihre weitere Ausbildung kümmern. Aber ganz klar, wir bleiben im Umkreis vom Geethanjali.

Somit wünschen wir euch allen eine besinnliche Adventszeit, gesegnete Weihnachten und einen fröhlichen Rutsch ins 2010!

Herzlichst
Yvonne und Savitha

01 November 2009

Oktober 2009

Der „Tag der Deutschen Einheit“ fiel in diesem Jahr auf den ersten Samstag des Monats, wo im Goethe-Zentrum immer ein Film gezeigt wird. Da Shashi am Abend nicht bei Savitha sein konnte, begleitete sie wohl oder übel Dr. Gopika, Ute und mich, was ihr zurerst überhaupt nicht passte – sie ist halt ein Stubenhocker. Der schwarz/weiss-Film „Eins, Zwei, Drei“ von Billy Wilders aus den 60-er Jahren fand sie jedoch super lustig zum Thema West/Ostberlin mit Liselotte Pulver und dem jungen Horst Buchholz, mit dem ich als Kind im Sandkasten spielte, da die Familie ein grosses Haus auf der Lenzerheide besass. Es wurde ein gelungener Abend und Dr. Gopika und ich sind inzwischen Mitglieder vom German-Film-Club, so dass wir uns sicher regelmässig an unserem Kinoabend erfreuen werden, wo selbstverständlich auch Geetha und die Gäste immer herzlich willkommen sind.

Shashi war derweil schon gross mit den Vorbereitungen für das Mittagessen am nächsten Tag bei ihr zu Hause beschäftigt, da sie die beiden frisch vermählten Nichten mit ihren Ehemännern eingeladen hatte, plus Savitha und Mama. Das kam uns sehr gelegen, da uns sonst Amma mit einem Besuch „beglückt“ hätte. Das Verhältnis zwischen Savitha und ihrer Mutter ist im Moment sehr angespannt, was Savitha gesundheitlich nicht bekommt. Ihr Immunsystem ist relativ schwach und wenn nebst der Schule noch Störfaktoren anfallen, ist sie sehr anfällig für Kopf- oder Bauchschmerzen, Fieberschübe oder Erkältungen.
Ajitha ist glücklich mit ihrem neuen Ehemann und sie mag ihre Schwiegermutter wie auch die übrige Familie sehr und wird akzeptiert. Schlechter sieht mit Ashwathys Situation aus, die im September mit einem blinden Mann verheiratet wurde. Sie verliess Mann und Schwiegerfamilie und meldete sich erst nach Tagen bei ihren Eltern. Die wollten sie wieder zurück schicken, doch die Schwiegerfamilie war nicht mehr bereit sie aufzunehmen. Und jetzt? Die eigene Familie hat sich wegen der Hochzeit dermassen verschuldet, obwohl sie keine Mitgift aufbringen musste, dass sie ihre Tochter nicht mehr zu Hause haben will und eine zweite Hochzeit liegt finanziell absolut nicht drin. Zudem – welcher Mann will schon eine davongelaufene Frau heiraten? Sie Situation wird im Moment totgeschwiegen...

Ute buchte mich für eine Shopping-Tour und Geetha begleitete uns, da sie sich nach Matratzen für das SMSS Waisenhaus in Trivandrum umschauen wollte. Und aus dem Nichts wurde gegen Abend noch eine Grossaktion gestartet. Geetha und Shibu fanden die passenden Matten, der Preis wurde extra ohne mich ausgehandelt und sie hatten sogar 50 Stück auf Lager. Ein kleiner Pick-up wurde beladen und da wir gar nicht vorbereitet waren, konnten wir nicht mal das Waisenhaus avisieren und überraschten sie während dem abendlichen Prayer. Nach der Andacht haben wir die Matten offiziell übergeben und zu Weihnachten bekommen auch die restlichen 50 Girls eine Matte, damit alle weich schlafen und süss träumen können. Bis jetzt schliefen sie auf harten Metall-Kajütenbetten oder am Boden auf Reismatten. Sie freuten sich riesig, strahlten um die Wette, hielten uns an den Händen, führten uns durch ihre Räume und wir wurden 100x nach unseren Namen gefragt, weil sie sonst kaum ein Wort Englisch sprechen. Meine Malayalam-Brocken kamen deshalb gut an.

Da Ute alleine kurte, war ich viel bei ihr drüben im Geethanjali – ob zum Mittagessen, zum Tee oder auch mal für einen Strandspaziergang und ich zeigte ihr das Dorfleben rund ums Geethanjali herum. All die kleinen Shops wo man alles für den täglichen Gebrauch bekommt, wo man als Tourist jedoch kaum die Nase hinein streckt, weil man ja nichts davon braucht. Und trotzdem ist es spannend zu sehen, was die Leute zu Hause benützen, womit sie sich ihr Daheim verschönern oder all die Küchenutensilien. Vom etwas eigenartig aussehenden Gebäck in der Bakery über die kleinen Teeshops, wo sich die Männer nach getaner Arbeit zu einem Schwatz treffen, die Mühle, wo gerade Kokosöl gepresst wurde und wir wegen dem Chillistaub husteten. So was ist oft viel interessanter als grosse Sightseeing-Touren von Tempel zu Tempel und von Palast zu Palast. Das ist das indische Leben der Einheimischen auf dem Land, ihre Strasse, ihr Alltag, ihre kleine Welt. Wir verbrachten auch unterhalsame Nachmittage in der Stadt und fuhren bis nach Varkala. Dr. Gopika nahm uns mit in den Veli-Park, wir besuchten einen Tempel und wurden zum arabischen Essen eingeladen.

Auf den 17. Oktober freuten sich die 8 Mädchen vom Waisenhaus St. Joseph/Sai Maa in Trivandrum schon lange. Ich kenne den Sponsor von Pradeesha und Jessy, der mich bat, seinen beiden Patenkindern und den Mädchen aus ihrer Gruppe einen schönen Tag zu bieten. Savitha wollte uns begleiten, doch die Schule machte uns mal wieder einen Strich durch die Rechnung und sie hatte den ganzen Samstag Tuition.
Wir fuhren mit zwei Autos zu einem Textilhaus in der Stadt, wo alle neu eingekleidet wurden. Hei, das war für die Mädchen wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen! Es war auch für mich eine Freude zu sehen, wie sie sich mit leuchtenden Augen alles in Ruhe ansahen, sich das ganze Sortiment zeigen liessen, alles befühlten, anprobierten, abwogen und sich dann schlussendlich für etwas entschieden. Die Mädchen schwelgten! Zudem hatte es nicht viel Kundschaft und ein sehr nettes Verkaufsteam kümmerte sich um uns, so dass alle ihre Traum-Röckli, -Churydars oder -Lajas fanden...
Ich war absolut fasziniert, wie diszipliniert alle sind. Da wird nicht herum gerannt, geschrien, gestritten oder gar gezankt. Es herrscht eine harmonische Ruhe und Ordnung. Und nicht etwa wegen der Schwester, sondern einfach, weil es normal ist. Im Auto sprachen sie leise miteinander oder schauten dem Treiben draussen zu und wenn ich mich mit der Schwester unterhielt, waren sie ruhig.
Weiter ging es in Richtung Süden nach Poovar, wo wir an einem Backwaterarm in ein Motorboot umstiegen und zu einem Resort gefahren wurden. Dort gab es für alle Chicken und Pommes und zum Dessert Erdbeereis. Die Mädchen waren total happy. Während ich noch die Rechnung bezahlte – schwup - waren alle Mädchen samt ihren Kleidern im kleinen Pool! Oje, das war nicht geplant, da ich vom Gästebetreuer wusste, dass sie nur in korrekten Badeanzüge in den Pool dürfen, was ich auch richtig finde. Ist auch bei den zahlenden Gästen immer ein Problem, da die Inder meist keine Badesachen haben und trotzdem in den Pool wollen. Ein Wink genügte und alle waren sofort draussen. Kleider und Haare trockneten rasch im Wind.
Das Resort offerierte uns eine Bootsfaart mit einem alten Holzlastkahn. Das war zwar lieb gemeint, doch die Mädchen fühlten sich nicht richtig wohl – auch nicht mit den Schwimmwesten, weil die jetzt nach dem grossen Bootsunglück in Thekkady obligatorisch sind. Trotzdem war es eine herrliche Fahrt gewesen, wie wir langsam der Insel entlang zu einem Backwaterarm gestakelt wurden, die Palmenhaine rechts und links vom Ufer, Kinder, die uns zuwinkten und im Wasser plantschten oder am Ufer spielten. Und so ruhig, dass wir nur die Vögel hörten. Absolut idyllisch. Doch alle stiegen am Schluss gerne wieder ins Motorboot um, welches uns zurück zum Anlegesteg brachte, wo wir uns verabschiedeten. Die Mädchen haben den Ausflug sehr genossen, war es doch für alle ein herrliches Erlebnis ausserhalb ihrem Heimalltag gewesen und mir hats auch viel Spass gemacht.

Savithas 18. Geburtstag am 24. Oktober feierten wir einen Tag später bei einem feinen Lunch im offenen Restaurant neben dem Pool vom Leela Hotel in Kovalam. Ursprünglich wollten wir für eine Nacht in Poovar bleiben und dort feiern – wäre sehr speziell gewesen und wir haben uns auch schon darauf gefreut, doch wegen der Tuition liessen wir es eben sein – es wird wohl seinen Grund gehabt haben... Jetzt ist meine Maus bereits 18 und sie freute sich sehr auf dieses Datum und meinte, sie müsse sich nun nicht mehr an die Vereinbarungen mit Amma halten und könne von jetzt an selber über ihr Leben entscheiden. Das ist zwar rechtlich so, doch die Praxis sieht hier anders aus. Falls es tatsächlich mal hart auf hart kommen sollte, hat die Mutter weiterhin das Sagen und ihr Wort gilt mehr als jenes von Savitha. Ist halt hier so und mich fragt eh niemand...

Das Monatsende liess ich in Cochin bei Daniela ausklingen. Das war wie zwei Tage Europa! Ich fuhr mit Dr. Gopika und Geetha hin, die es weiter nach Guruvayoor zum Beten zog. Ich klinkte mich aus, Danielas Fahrer holte mich im Meridien ab und chauffierte mich in ihr neues Haus. Wow – ich war überwältigt! Die Frau hat einen extrem guten Geschmack und hat alles selber designed. Die Aufteilung der Räume, die Innenausstattung wie auch die Möbel. Absolut umwerfend. Alles sehr puristisch, aber warm, sehr elegant, geräumig und absolut edel. Kein Stück zu viel und doch so, dass man sich wohl fühlt. Ich war natürlich ganz besonders gespannt auf den kleinen Nicklas, der im Dezember 2 wird und wir haben einander grad gemocht. Er ist absolut süss und er genoss es, mit mir zu spielen und wir konnten uns herrlich verweilen. Der kleine Knirps wächst mit 3 Sprachen auf – bald werden es vier sein – und so spricht er perfekt Deutsch mit seiner Mama, antwortet der Angestellten in Malayalam und die Nachbarjungen redet er in Englisch an. Da gibt es kein Mischmasch. Für ihn ist es ganz normal, zwischen den Sprachen hin und her zu hüpfen und er weiss genau, mit wem er in welcher Sprache kommunizieren muss. Ein cleveres Bürschen und sooo süss! Auch Margit kam gerne herüber zu unseren unterhaltsamen Weiberabenden in gemütlicher Runde. Einen Ausflug in die neue Shopping-Mall in Cochin – die erste überhaupt in Kerala – hatten wir auf dem Programm und sonst genossen wir die Zeit zu Hause, im Garten oder im Pool! Für mich war Indien in den beiden Tagen meilenweit entfernt – es war wie in Europa. Ich habe die Tage bei ihr extrem genossen und wir freuten uns, einander nochmals gesehen zu haben, bevor sie nach Delhi zieht, wo ihr Mann ein neues Resort übernommen hat und gleichzeitig einen Hotelneubau überwacht. 8 Jahre waren sie nun in Cochin und jetzt heisst es halt weiter ziehen. Wir haben einander jedoch versprochen, weiterhin in Kontakt zu bleiben und wer weiss, vielleicht schaffe ich es mal nach Delhi...

Als Dr. Gopika und Geetha mich wieder abholten, kippte ich den Schalter wieder um auf „indisch“ und wir fuhren direkt in einen Tempel für eine Pooja, weiter zum Frühstück mit Idli und Sambar und nach Quilon an eine Hochzeit von Dr. Gopikas Verwandten. War eine grosse Sache, da der Vater der Braut Richter ist und die Mutter als Anwältin arbeitet. Der halbe Gerichtshof von Trivandrum und einige Minister waren eingeladen - unzählige VIP-Autos fuhren mit Polizeieskorten vor. Die Feier fand nicht in einem Auditorium statt, sondern in einem Hotel. Alles sehr gediegen ausgestattet mit weissen Couchen und goldenen Schleifen über den Stühlen, eine sehr aufwändig mit Blumen dekorierte Bühne. Sehr erlesen. Doch leider war die Tempel-Musik zum „Aufwärmen“ und während der Zeremonie dermassen laut, dass ich um meine Ohren bangte. Es war der absolute Wahnsinn!!! Leider hatte ich die Handtasche mit den Ohrstöpseln im Auto gelassen, welches „meilenweit“ entfernt parkiert stand und der Fahrer unter den 2'600 Gästen nicht zu finden war, weil auch er ein Verwandter des Bräutigams war. Also gab es nur eines: Ohren zuhalten und hoffen, dass ich keinen Gehörsturz erleide... Dank den vielen VIP’s wurde die Bühne dafür so konzipiert, dass auch das Publikum etwas von der Zeremonie mitbekam. Es verdeckten keine Kamera- und Videomänner die Sicht auf das Paar und sie verzichteten sogar auf die grellen und heissen Scheinwerfer, die dermassen störend sind. Es geht also auch ohne.

So ging ein weiterer ereignis- und abwechslungsreicher Monat zu Ende und schon bald ist wieder Jahresende. Unglaublich – die Wochen fliegen nur so vorbei! Da war ich doch erst gerade mit den Gästen im Thapovan bei Andreas, wo wir Silvester feierten und schon bald heissen wir das 2010 willkommen! Aber noch liegen zwei Monate vor uns und ich denke, es wird uns auch in der kommenden Zeit nicht langweilig...

Ich wünsche euch allen einen schönen November, auch wenn er in Europa meist grau, kühl und unfreundlich ist, während wir uns hier an Sonne pur erfreuen...

Seid ganz lieb gegrüsst und umarmt
Yvonne und Savitha

05 October 2009

September 2009

Der neue Monat begann mit Onam, unserem grössten Fest des Jahres. Savitha fuhr gleich nach den Prüfungen in ihr Heimatdorf und verbrachte die Tage über das Erntedankfest bei ihrer Schwester und deren Familie. Sie spielte mit ihrer 3-jährigen Nichte Anusri und kümmerte sich liebevoll um den „baby-boy“, der Anuragh heisst, jedoch Srikutten genannt wird.

Die laute Musik über die Festtage in all den Quartieren ist jeweils eine Zumutung für die Kurgäste und deshalb legte ich die Buchungen so, dass wir das Geethanjali für 10 Tage schliessen konnten. Wir schickten das Personal nach Hause und Gopikas verreisen am liebsten, da sonst immer wieder ein Patient aus dem Dorf für eine Konsultation vorbeikommt oder nach einer Medizin verlangt. Auch ich wäre mit Musik aus dem Tempel gegenüber zugedröhnt worden und deshalb fuhren wir mit den Kindern nach Kovalam in ein Resort. Eigenartig, wie Inder Ferien machen: die ganze Familie verbrachte den lieben langen Tag schwatzend, dösend, schlafend oder TV-schauend im Zimmer (nicht mal auf dem Balkon!), 3x im Tag dislozierten wir ins Restaurant und abends zwischen 17.00 – 18.30 Uhr gings zum Sunset an die Beach. Die Kinder plantschten im seichten Wasser, Vater schlurfte hin und her und Geetha blieb lieber abseits, wo ich ihr Gesellschaft leistete. Nach einer Krise am ersten Abend, organisierte ich mich neu und genoss die Tage auf meine Weise. Ich las viel auf meiner herrlichen Terrasse, hörte Musik, marschierte alleine los und legte mich an den Pool – doch zum Schwimmen nicht ideal. Im einen Pool (nur schenkeltief) war das Wasser ziemlich trüb und der grosse Pool wurde erst nach zwei Tagen gefüllt. Auch da war das Wasser kaum schulterhoch und wurde gleich von allen Papis mit ihren Kindern belagert. Alle in Kleidern, da sie meist keine Badesachen haben und nicht schwimmen können. Die Frauen rotteten sich jeweils im Schatten zum Schnattern zusammen. Es handelte sich um ein typisches indisches Resort, wo alles ziemlich schlecht unterhalten war - deshalb schmuddelig, es roch modrig und müffelte. Aber ich kenne das ja und bin nicht so heikel! Trotzdem war es schön, die Familie genoss die Tage und wir waren alle glücklich.

Bevor Savithas Schule begann, holten Shashi und ich sie bei Saritha ab, wo es noch das allerletzte Onam-Festessen gab. Ehrlich, ich habe für eine Weile genug „Sadhya“ vom Bananenblatt gegessen! Vorgesehen war noch ein Besuch bei Savithas Mutter, doch es hatte wieder mal Knatsch gegeben mit ihr. Savitha kann es kaum mehr erwarten, bis sie am 24. Oktober endlich 18 wird und somit volljährig. Trotzdem – wenn es hart auf hart kommen sollte - gilt hier das Wort einer Mutter mehr als dasjenige ihrer volljährigen Tochter. Und mich wird eh niemand fragen. Doch wir hoffen, dass sich die Lage wieder beruhigt und Amma uns in Ruhe lässt.

Nach der Hochzeit im letzten Monat von Shashis Nichte, heiratete gleich nach Onam eine andere Nichte von ihr. Ashwathy stammt aus einer sehr, sehr armen Familie. Trotzdem haben die Eltern versucht, ihrem einzigen Kind eine gute Schulbildung zu ermöglichen. Doch Ashwathy zeigte kein Interesse und wäre etliche Male von der Schule geflogen, wenn die Eltern nicht immer wieder die Schulleitung mit „donations“ geködert hätten, damit sie bleiben konnte. Irgendwie hat sie die Schule beendet, doch danach wollten die Eltern sie endlich „los werden“. Da es an allen Ecken und Enden am Geld fehlte, musste sie sich halt mit einem Mann zweiter Wahl begnügen und sie wurde mit Shiju verkuppelt. Er ist ein intelligenter Mann, ist jedoch wegen seiner Blindheit handicapiert und auf eine Frau angewiesen. Deshalb wurde keine Mitgift verlangt und man erhoffte sich einfach eine gute Frau, die ihn umsorgt. Ob Aswathy dafür die richtige sein wird, sei mal dahingestellt, aber ich hoffe für die beiden, dass sie sich finden werden. Die einfache Hochzeit fand auf einem Tempelareal statt, wo nur wenige Leute eingeladen waren. Die beiden passten optisch absolut nicht zusammen, wobei das hier ganz wichtig ist. Er ist super lang – sicher 1.90 m – und dazu noch mager wie ein Strohhalm, sieht aber gut aus – so gar nicht der typische Keralit. Sie reichte ihm nicht mal bis zur Schulter – ein wirklich ungewohnt ungleiches Paar für hiesige Verhältnisse.

Inzwischen war Natalia, eine 24-jährige Studentin aus Polen, bei uns zur Kur und ich war deshalb öfters im Geethanjali drüben. Ich begleitete sie auf einen Strandspaziergang, da sie sich in den ersten Tagen nicht alleine aus dem Haus wagte und wir fuhren nach Varkala, wo wir eine Unterkunft für sie suchten, weil sie nach der Kur noch zwei Wochen Ferien machen wollte. An einem Abend gings mit Gopikas zum Mudra-Festival, wo wir eine ganz spezielle Kunstform sahen, die kaum mehr gezeigt wird. Sie fühlte sich wohl im Geethanjali und genoss ihre Kur, obwohl sie nicht wirklich krank war. Sie liess sich voll ein, mochte die Yogalektionen und führte viele tiefgründige Gespräche mit Dr. Gopika, der sich darüber freute, dass sie so viel Interesse an der Hindukultur zeigte.

Am Abend des 18. September bebte die Erde leicht, was die meisten Leute noch gar nie erlebt haben, weil wir nicht in einem gefährdeten Gebiet leben. Shashi rief in grosser Aufregung an und ich musste danach Savitha beruhigen und bot ihr an, sie dürfe bei mir im Bett schlafen, obwohl es zu zweit wirklich eng wird. Sie meinte jedoch ganz pragmatisch, dass sie einfach bis 22.00 Uhr auf bleibe. Danach werde es eh nicht mehr beben und sie könne beruhigt unten in ihrem Zimmer schlafen. Schön, wenn sich Erdbeben nach unseren Schlafenszeiten richten... Obwohl noch Nachbeben angekündigt wurden, blieb es ruhig und die Aufregung war schnell vergessen.

Gegen Ende des Monats kam endlich der Guruji aus Mumbai um den neuen Massagetisch einzuweihen. Er war schon zweimal im Geethanjali zur Kur und hatte vor einem Jahr eine Massageliege gesponsert, was eine riesige Aktion auslöste. Gopikas mussten das passende „medicated wood“ finden, wobei der Neembaum so alt sein musste, dass die Breite vom Tisch in einem Stück gefertigt werden konnte. Danach suchten sie Schreiner, die das Holz nach ihren Vorgaben verarbeiten konnten und sie fuhren sicher 4x nach Nordkerala, um die Arbeitsgänge zu überprüfen und den Tisch abzunehmen, bevor er im Öl gebadet wurde. Seit bald einem Jahr steht der Tisch nun einsatzbereit im Madom, doch Dr. Gopika wollte warten, bis der Guruji ihn einweiht, bevor wir ihn benützen. Die lange Warterei hatte sich jedoch gelohnt und es gab eine einzigartige Zeremonie. Der Massagetisch war wunderschön mit Blumenblüten und Girlanden geschmückt, der Guruji zündete die Öllampe an, sang Mantras und segnete die Liege in Anwesenheit der Familie, ein paar wenigen Verwandten, ganz engen Freunden, Natalia und mir. Der Guruji bestand darauf, dass wir im Anschluss noch zur Verbrennungsstätte von Hans hinüber gingen, obwohl es natürlich schon stockfinster war und zudem hatten wir grad keinen Strom. Doch wir behalfen uns mit Taschenlampen und Kerzen. Der Guruji legte Blumen nieder, zündete eine Kerze an, betete und wir spürten, dass Hans unter uns war. Dieser stimmungsvolle Abend ging mal wieder so richtig unter die Haut.

Am Ende des Ramadans, an Id-ul-Fitr, durfte ich den Massagetisch mit der ersten Massage einweihen. Welche Ehre! Das Holz fühlt sich seidenweich an – gute Arbeit! Die Liege hat jetzt auch für uns Europäer die richtige Länge und die Breite stimmt auch. Im Moment werden beide Tische benützt und später kommt der alte Massagetisch in den Neubau, den wir im nächsten Jahr hinter dem Gästehaus planen und der neue bleibt im Madom.

Inzwischen war ich schon ganz aufgeregt vor lauter Reisefieber, hatte bereits meinen Koffer gepackt und konnte meine Reise nach Bangkok kaum mehr erwarten! Meine Freundin Marlies lud mich für eine Woche nach Thailand ein. Wir waren zusammen auf den Malediven, im letzten Jahr in Muscat und dieses Jahr sollte es der Ferne Osten sein, wo ich noch nie war. Ich war dermassen neugierig und gespannt und flog von Trivandrum über Singapore nach Bangkok, wo Marlies mich am Flughafen erwartete. Einquartiert waren wir in einem neuen Hotel, mitten im „Chrut“, jedoch in einer ruhigen Sackgasse. Ich hatte noch nicht mal richtig ausgepackt, ging es schon mit vollem Programm los. Marlies kennt die Metropole sehr gut und so musste ich mich um nichts kümmern. Herrlich, mal nicht selber alles organisieren zu müssen und einfach nur geniessen. Es erwartete mich eine völlig andere Welt – mal traditionell, meistens aber ultramodern. Modemässig sind wir mit unseren Churydars absolut hinter dem Mond! Hier waren die Röcke kurz, kürzer, am kürzesten, dafür die Schuhe hoch, höher am höchsten und die Frauen sind wirklich wunderschön und alle sehr zierlich! Doch die perfektesten waren die umgebauten Männer! Zudem sind die Thais sehr ruhig, da gibt es kein drängen, kein stossen und kein lärmen! Sie sind sehr zurückhaltend, unterhalten sich leise, kein lautes Wort - völlig gegensätzlich zu den gestikulierenden, lauten und neugierigen Indern. Sie sprechen aber auch kaum Englisch und anfangs habe ich wirklich nur „Bahnhof“ verstanden, da sie weder ein „R“ noch ein „S“ aussprechen können, doch mit der Zeit gewöhnte ich mich an den „flied lice“... Auf der Shopping-Tour durch die neusten Glaspaläste oder auf dem grossen Lupini-Market war ich zuerst völlig erschlagen vom riesigen Angebot. Das war ja unglaublich! Jeden Tag gab es Beauty in irgendeiner Form - von der traditionellen Thai-Massage bis zum Abend-Make-up von „Lady-Men“ (absolut schräge Typen) haben wir alles ausprobiert. An zwei Tagen begleiteten uns Jeannette und Sandra von der Swiss Crew und so hatten wir zu viert viel Spass zusammen.
Am Sonntag fuhren wir für einen Tagesausflug nach Pattaya. Ist wirklich kein Urlaubsziel für Frauen oder Paare, wo es nur so von Männern aus der ganzen Welt wimmelt mit ebensovielen Thai-Girls. Marlies und ich fühlten uns ziemlich exotisch und die Männerwelt war echt nicht an uns interessiert, was uns jedoch nicht weiter störte. Im ehemaligen Fischerdorf gibts Wolkenkratzer, alles ist überbaut und der schmale Strand bietet nur Platz für drei Liegestuhlreihen im Schatten. Dahinter knattert der Verkehr der Beachroad entlang. Doch es gab viel zu sehen und wir amüsierten uns herrlich bei Nudelsuppe, frisch gebackenen Shrimps, Kokoswasser und zur Entspannung liess ich mir die Füsse massieren.
Den 50. Geburtstag von Marlies feierten wir im „Hilton Millenium“ bei einem sagenhaften Buffet auf der Terrasse direkt am Fluss, wo es von Austern, Sushi bis zum riesigen Dessert- und Käsebuffet (in einem separaten Raum wegen der Temperatur!) alles gab und keine Wünsche offen blieben. Zum Schlummertrunk gings mit dem Schiff über den Fluss und in den 64. Stock vom State Tower mit einer grandiosen Aussicht über die ganze Stadt. Kulinarisch kommt hier jeder auf seine Kosten und die Thaiküche ist herrlich leicht und scharf! Ob beim Papayasalat in einem netten Restaurant an der Strasse oder bei Basilikum-Reis mit Chicken von einer Garküche am Strassenrand und dazwischen fühlten wir uns wie „British Ladies“ beim Afternoon-Tea im „Four Seasons“, was wiederum absolut gediegen war.
Wir besichtigten den fantastischen Königspalast und den Erawan-Shrine, wo ich Tempel-Tänzerinnen fotografierte. Unterwegs waren wir viel zu Fuss, aber auch mit dem Skytrain, der Metro, im Sammeltaxi oder mal mit den lustigen Tuk-Tuk, die anders sind als unsere Rikschas. Nicht mal eine Flussfahrt auf dem Chao Phraya fehlte. Die Woche war ausgefüllt und wir haben die Tage sehr intensiv genossen! Es war einfach herrlich und mit Marlies lässt es sich wunderbar reisen!

Zu Hause freuten sich Savitha, Shashi und Gopikas auf mich und auch für mich stimmt es wieder in meiner kleinen und überschaubaren Welt im indischen Alltag. Aber so soll es ja auch sein! Und jetzt sind wir gespannt, was der Oktober für Überraschungen bereit hält...

Seid alle lieb gegrüsst
Yvonne und Savitha

08 September 2009

August 2009

Dr. Gopika sah sich anlässlich dem „14th International Filmfestival 09“ diverse Filme an und zum Abschlussabend am 6. August fuhren wir zusammen mit Irene in die Stadt. „Crazy“, ein kanadischer Film war ziemlich düster. Die Liebe eines Vaters zu seinen fünf Söhnen und die Liebe einer der Söhne zu seinem Vater. Nach der Pause gabs einen Kurzfilm, dessen Story wir jedoch nicht checkten. Das Zückerli des Abends war der wunderschöne Oskar nominierte Film „Australia“ mit Nicole Kidman als Lady Sarah Ashley, der kurz nach dem 2. Weltkrieg spielte. Die Tränen flossen über und Irene und ich waren hell begeistert. Wieder einmal ein richtig schöner Film zum Heulen! Alle deutschen Filme wurden jeweils im kleinen open air Amphitheater vom Goethe Institut gezeigt. Da wäre ich auch gerne mal dabei gewesen, doch irgendwie war ich an den Abenden immer anderweitig engagiert.

Zwei Tage später nahm ich Irene zu einer speziellen Hochzeit mit nach Trivandrum. Die Schwester der Braut lernte ich vor einem Jahr im Geethanjali kennen, als sie kurte. Ihre Mutter ist aus Trivandrum, der Vater Liechtensteiner und die Familie wohnt in Vaduz. Später hatte ich keinen Kontakt mehr zu ihr, doch auf dem Flug von Zürich nach Trivandrum traf ich die ganze Familie in Doha. Obwohl ich die Schwester nicht mehr erkannte, kamen wir ins Gespräch und sie luden mich ein zur Hochzeit ihrer jüngsten Tochter Neema. Da war ich wirklich gespannt! Eine christliche indische Hochzeit mit einer indisch/liechtensteinischen Brautfamilie. Die Kirche war wohltuend schlicht und nicht mit Kitsch überladen, wie sonst üblich. So kamen die üppigen, aufwendigen und edlen Blumengestecke noch mehr zur Geltung. Neema trug einen traumhaften weissen Seidensari, reich bestickt mit Perlen und Pailletten und einem hübschen Schleier über der Hochsteckfrisur. Alle Frauen der Brautseite – von der Grossmutter, über die Mutter, ihre Schwestern und Cousinen trugen alle rosa Seidensaris mit Silberstickereien. Und auch die drei Blumenmädchen sahen wie rosa Tüllwolken aus in ihren hübschen Kleidchen, den weissen Federn in den Haaren und den federbesetzten Körbchen. Zuckersüss! In all dieser rosa Pracht ging die Familie des Bräutigams völlig unter. Der Bräutigam fühlte sich absolut nicht wohl in seinem dunklen Zwirn. Kunststück, hier wo kaum Anzüge getragen werden und die meist noch schlecht geschnitten sind und nicht gut sitzen. Die dünnen und schlacksigen Burschen sehen darin mehr aus wie Konfirmanden. Er wird nach der Hochzeit nach Liechtenstein zur Familie seiner Angetrauten ziehen. Während der Trauung waren 12 Priester anwesend, wobei sicher die Hälfte aus dem „Ländle“ eingeflogen wurde. Wir hatten uns vor der Trauung mit einem jungen, sehr sympathischen Priester unterhalten, der in Schaan als Gemeindepfarrer tätig ist.

Nach der feierlichen Zeremonie wurde das Mittagessen in einer grossen Halle direkt hinter der Kirche serviert. Festlich geschmückt an 8-er Tischen mit rot/weiss karrierten Tischtüchern und weissen Couchen mit roten Maschen über den Plastikstühlen. Für hiesige Verhältnisse absolut gediegen. Die Bühne war sehr üppig in weiss und rosa dekoriert, wo das gemeinsame Gebet gesprochen wurde, das Brautpaar die Hochzeitstorte anschnitt und auf einer geschnitzten Holzbank die Glückwünsche entgegen nahm. Irene und ich wurden an einem Ehrentisch in der Nähe von der Bühne platziert zu einer indischen Familie, die mit ihren drei Kindern im Alter von 13 – 18 Jahren in Zürich wohnt. Die Eltern sprachen mit Akzent hochdeutsch und die Kinder lupenreines züridütsch. Das war lustig! Sie sind alle in der Schweiz geboren und fühlen sich als Schweizer. Doch die Eltern möchten nach der Pensionierung zurück nach Trivandrum. So fehlte es uns nicht an Gesprächsstoff und wir hatten es sehr vergnüglich, so dass wir sitzen blieben, während die zweite Runde verköstigt wurde. Ein richtig fröhliche Hochzeit, wie ich sie schon lange nicht mehr erlebt habe.

Irene reiste kurz danach ab und ihre Nachfolgerin kam ins Geethanjali. Margret, eine geborene Deutsche mit Schweizer Pass, die in Ägypten lebt. Hans hat sie vor vielen Jahren in einem Resort kennengelernt, wo sie auch eine Ayurvedakur machte und wir blieben über all die Jahre in losem Kontakt.

Unser Erntedankfest stand bereits vor der Türe und da vor oder nach Onam gerne geheiratet wird, wurde ich zur Hindu-Hochzeit von Shashis Nichte eingeladen. Der Empfang fand in Ajithas Elternhaus statt und ich freute mich, dass Savitha mich begleitete. Sie drückt sich sonst immer. Alle Kameras und Videos richteten sich auf uns, als wir die Braut begrüssten. Sie sah hübsch aus in ihrem blauen Sari mit den Goldstickereien und trug eine super aufwendig geflochtene Frisur. Vier Stunden benötigten die beiden Coiffeusen, bis die Braut vorgeführt wurde. Verwandte, Nachbarn und alle ihre Freundinnen und Studienkolleginnen kamen vorbei, überbrachten Geschenke und wurden von der Braut mit je einer Limone beschenkt, wie es hier üblich ist. In einem Aussenzelt wurden alle Gäste verpflegt. Shashi bekam über die drei Tage frei und hat Tag und Nacht bei den Vorbereitungen geholfen.

Zur Trauung am nächsten Tag konnte Savitha mich nicht begleiten, da sie in die Schule musste. Ich wurde wie ein Familienmitglied behandelt und war schon lange nicht mehr so nah am Geschehen wie an diesem Tag. Drei Stunden vor der „Muhurtham“ fuhr ich mit Shashi ins Auditorium, wo die Braut bereits in einem Kämmerchen neben der Bühne von je zwei Kosmetikerinnen und Coiffeusen hergerichtet wurde für ihren grossen Auftritt. Make-up, Sari wickeln, Zopf künstlich verlängern und mit Jasmingirlanden verzieren und der ganze Hochzeitsschmuck muss repräsentieren und sitzen. Eine aufwendige Prozedur! Ich sass mit einer Tante in einer Ecke und fand es spannend, einfach dabei zu sein. Alle waren ganz aufgeregt und es musste noch dieses und jenes organisiert werden. Frauen wollten herein stürmen um die Braut zu besichtigen, die jedoch wieder hinaus gescheucht wurden und erst als Ajitha fertig war, wurden all die neugierigen Gratulantinnen eingelassen und die Videomänner und Fotografen hielten alles fest. Ich machte Platz, da es langsam eng wurde und man platzierte mich auf der Bühne in der „Ehrenloge“ – erste Reihe - zwischen allen Grossmüttern. Noch immer hiess es lange warten, doch langsam füllten sich die Reihen im riesigen Saal. Die Bühne war hübsch dekoriert und immer wieder setzten sich Mädchen zu mir, um meine weisse Haut zu streicheln oder mich einfach anzuschauen. Wir unterhielten uns in Malayalam und einige sprachen sogar ein paar Brocken Englisch. Noch vor der Trauung wurden die ersten 500 Gäste in der Mensa unten verköstigt und Shashi und ich waren auch dabei. Praktisch, weil man nach der Zeremonie gleich nach Hause kann und so wurde die Warterei etwas verkürzt.

Um 11.30 Uhr ging es endlich los. Laute Trommelwirbel und Flötentöne – so dass ich die Ohren stöpseln musste – begleiteten die Zeremonie. Ajitha holte sich nicht nur bei den Familienältesten den Segen, sondern auch bei mir. Wir bewarfen das Brautpaar mit Blumenblüten, als der Bräutigam die Hochzeitskette seiner Frau umhängte und die Schwester des Bräutigams hilft jeweils beim Verschluss und richtet die Frisur danach wieder. Die Braut sah in ihrem violetten bestickten Sari hübsch aus und der Bräutigam nach indischen Geschmack wohl auch gut aussehend.

Nach dem Fest fuhr die Braut mit ihrem Mann ins neue Daheim zu den Schwiegereltern, trug die traditionelle Öllampe über die Schwelle und schenkte ihrer Schwiegermutter einen ihrer Goldreifen, in der Hoffnung, sie wird in Zukunft gut von ihr behandelt...

Ich war zu dieser Zeit bereits zu Hause, legte mich eine Runde hin und schon hiess es wieder umziehen, den dritten Sari seit gestern abend, da ich völlig überraschend zum „kitchen looking“ eingeladen wurde, was ich noch nie erlebt habe. Das hat mich sehr gefreut, weil da wirklich nur die engste Verwandschaft dabei ist. Diese Zeremonie wurde früher eine Woche nach der Hochzeit arrangiert, um die Tochter im Haus des Ehemannes und der Schwiegereltern zu besuchen und sich zu vergewissern, dass sie gut behandelt wird. Dazu gehört sich, dass Geschenke gebracht werden. Um Kosten zu sparen, wird heute die Braut meist am gleichen Tag besucht. Das Vorzelt stand bereits vom Empfang am Vorabend, der auch beim Bräutigam zu Hause arrangiert wird. Die Feuerstelle war schon eingerichtet, die Köche waren da und so organisiert man lieber alles in einem Mal.

Um 17.00 Uhr fuhren wir in zwei Kleinbussen los in Richtung Stadt. Einer für die Frauen, der andere für die Männer. 20 Sitze wurden von knapp 50 Frauen und Kindern belegt – es war wirklich voll – und so huckelten und zuckelten wir los. Lautes Geschwätz und Gelächter durchzog den Bus und der Fahrer hupte sich fröhlich einen Weg durch den Verkehr und betätigte sich gleichzeitig als DJ. Aus den altersschwachen Lautsprecherboxen dröhnte Malayalam-Filmmusik. Immer, wenn die Beschallung der Frauen lauter wurde als die Musik, wurde die Musik noch etwas mehr aufgedreht. Schliesslich war der Bus samt Fahrer UND Musik gemietet worden! Auf halber Strecke hielten wir an, wo ein Kühlschrank im offenen Kofferraum eines klapprigen Ambassador-Taxis festgezurrt wurde, dazu noch ein Mixer auf die Hinterbank und ein riesiger Bananenstrunk bildeten unsere Geschenke für die Schwiegerfamilie, was im Vorfeld mit dem Brautpreis ausgehandelt worden war. Irgendwo in den Pampas – mitten in einer Bananenplantage hielten wir und die lerzten 100 Meter zum Haus ging es zu Fuss. Da es vorher geregnet hatte, tappten wir vorsichtig in unseren schönen Saris und den offenen Sanalen durch den Morast und achteten darauf, dass wir nicht ausrutschten. Immer hüpften die Kinder um mich herum, führten mich, wollten meine Tasche tragen oder mir sonst was zu liebe tun. Das Häuschen lag am Hang und wir fielen wie die Heuschrecken ein. Die Frauen platzierten sich in allen Räumen und süsses Pulvergetränk wurde serviert. Die Männer standen draussen in Gruppen. Kaum war alles fürs Essen gerichtet, wurde in Schichten gegessen. Fried-rice, Chicken, Gemüse, dazu Papadam und Kräuterwasser und zum Dessert gabs Halwa und Bananen. Während wir warteten, bis alle anderen mit dem Essen fertig waren, zeigte mir Ajitha das Haus, welches noch frisch gestrichen wurde in einem grässlichen, grellen orange, apfelgrün und weiss. Ist jetzt gerade fashion! Und ganz stolz zeigte sie mir die „Honeymoon-Suite“. Hier ist ihr Ehemann gross geworden, doch ausser einem alten, schmalen Doppelbett, einem Einbauschrank, Tisch mit PC und Stuhl war kein Platz, um sich zu bewegen. Und sie hatten nicht mal neue Bettwäsche – doch hoffentlich war sie wenigstens frisch... Nicht die grosse Romantik für die Hochzeitsnacht. Aber hoffentlich werden sie auch so glücklich. Er muss in drei Wochen zurück in den Golf zur Arbeit und bis dahin wünscht sich Ajitha, schwanger zu sein. Die Männer kommen danach oft erst nach einem oder gar zwei Jahren nach Hause und wenn sie zurückkommen, fragen die Kinder am Flughafen, wer der Onkel sei... Kaum hatten die letzten Gäste die Hände nach dem Essen gewaschen, den Mund gespült und in den Garten gespuckt, verabschiedeten wir uns und fuhren wieder lachend, schwatzend und mit Musik beschallt nach Hause. Hei, das war ein aufregender Tag gewesen!

Am 18. August lud ich Gopikas und Margret ins Taj Residency ein, um mein Jubiläum zu feiern – 13 Jahre Kerala! Savitha war leider mitten in den Onam-Prüfungen, so dass sie wegen der Tuition und all den Vorbereitungen zu Hause bleiben wollte. Unglaublich wie die Zeit vergeht und noch immer gefällt es mir hier prima und ich kann mir kein besseres Leben vorstellen! Die Alliance Francaise hatte ein Fusion Konzert (Flöte und Gitarre) organisiert und es war wirklich ein Ohrenschmaus. Trotz den warmen Tönen, kamen wir am Schluss als Eisklötzchen aus dem grossen Ballsaal. Warum müssen 5-Sterne Hotels immer so kalt sein? Danach hatte ich einen Tisch im Restaurant reserviert und ich lud auch Andreas vom Thapovan ein, den wir vor dem Konzert schon in der Lobby trafen. Für Gopikas war es toll, mal ein neues Restaurant kennenzulernen, wo sie sonst alleine nicht hingehen würden. Und mich hats gefreut, dass wir mein Jubiläum zusammen feiern konnten, da der Tag in den letzten drei Jahren jeweils unbemerkt an mir vorüber ging.

Ich packte meine Reisetasche und quartierte mich im Geethanjali ein für meine jährliche Ayurvedakur. Die Tage zusammen mit Margret waren herrlich. Wir meditierten am Morgen mit unserem Yogalehrer, ich absolvierte 2 x im Tag zusätzlich mein eigenes Yoga-Progamm, wir liessen uns im Madom behandeln, tranken bittere Medizin, wurden vollvegetarisch verpflegt, genossen die Ruhe auf dem Balkon oder auf der Dachterrasse und so hatten wir es richtig gemütlich. Margret ist ausgebildete Märchenerzählerin und am Abend im Schein der Öllampe hat sie mir draussen vor dem Gästehaus das eine oder andere Märchen erzählt. Wunderschön stimmungsvoll! Obwohl ich ja „gsund und zwäg“ bin, geniesse ich diese Auszeit jeweils und es tut einfach gut, abschalten zu können, sich verwöhnen lassen und Zeit für sich zu haben.

Kaum war ich wieder zu Hause, stand am 1. September Onam vor der Türe. Savitha hatte ihre Prüfungen hinter sich gebracht und fuhr zu ihrer Schwester ins Heimatdorf über die Festtage, Shashi bekam frei und feierte mit ihrer Familie und ich packte wieder meine Reisetasche und fuhr für vier Tage mit Gopikas und den beiden Kindern nach Kovalam in ein Resort. Aber davon mehr im nächsten Newsletter.

Im Juli hofften wir noch auf eine neue Strasse, so quasi als Onam-Geschenk der Gemeinde. Leider wurde nichts darauf, was zu erwarten war. Es wurde genau während den heftigsten Regengüssen etwas ausplaniert und Material herangekarrt zwar etwas ausplaniert und Material herangekarrt - gerade während den heftigsten Regengüssen - doch vor Onam stellt man lieber keine Arbeiter ein, da man ihnen sonst einen Onam-Bonus aushändigen muss und zudem wird das Geld gerne vom Auftragnehmer (die Arbeiten werden vom Staat an private Firmen vergeben) selber für Onam verprasst... Und jetzt kommt dann aus, ob überhaupt noch etwas übrig ist für unsere Strasse... Thats India!

Nach dem sommerlichen und sonnigen August in Europa wird nun sicher bald der Herbst Einzug halten und wir hoffen nochmals auf vermehrten Regen, da uns der Monsun bis jetzt noch nicht gross mit Regen verwöhnt hat.

Liebe Grüsse
Yvonne und Savitha

31 July 2009

Juni / Juli 2009

Dieses Jahr konnte ich die Schweiz bereits im Winter erleben, ein herrliches Kontrastprogramm zu meinem Leben in den Tropen und nach fünf Jahren auch wieder einmal den Sommer – wunderschön! Bevor ich jedoch das Flugzeug besteigen konnte, war hier noch einiges los:

Der Monat begann gleich mit einem Fest für Renjini, der Nichte von unserer Angestellten Shashi. Eine Woche davor hatte ihre erste Menstruation eingesetzt und die wurde nun gebührend mit Verwandten und Mama (ich werde im ganzen Quartier „Mama“ genannt) gefeiert. Savitha schaute erst später nach der Schule vorbei. Da Renjini mit ihrem kleinen Bruder bei Shashi wohnt (ihre Eltern arbeiten in Kuwait), trafen sich alle in Shashis minimunzigem Häuschen. Es ist für die 7 Familienmitglieder (Shashi, Ehemann, Schwiegermutter, zwei Kinder, Nichte, Neffe) sehr eng, doch jetzt platzte alles aus den Nähten, da Shashis drei Schwestern noch mit ihren Kindern kamen. Ich wurde gleich unter den Ventilator auf einen Plastikstuhl gehöckt und war froh, dass gerade kein Stromausfall war. Renjini zog sich während meiner stündigen Anwesenheit an die 4x um, um alle ihre neuen Kleider vorzuführen. Es ging lustig und laut zu und her - so eine typische Frauenrunde. Ich bewunderte Fotos aus Kuwait und Ajitha, die bald heiratet, war schon ganz aufgeregt und lud mich bereits zur Hochzeit im August ein. Obwohl Shashi weiss, wie unkompliziert ich bin, würde ihre Gastfreundschaft nie zuslassen, dass ich mit allen gemeinsam esse und deshalb wurde ich als Ehrengast zuerst am kleinen Tischchen beim Eingang verköstigt. Erst als ich mich verabschiedet hatte, haben sie aus ihren Blechtellern gegessen - ob auf dem Boden in der Küche, dem engen Durchgang oder im kleinen Wohnraum, auf dem Bett, auf den Treppenstufen vor oder hinter dem Haus, nur nicht am Tisch – der ist nur für Mama.

Am 8. Juni begann für Savitha das neue Schuljahr in der 11. Klasse, welches auch „plus one“ genannt wird. Sie trägt jetzt als Uniform keinen Trägerrock mehr mit Bluse, Krawatte, Gurt, Kniesocken und Schuhen (darunter noch ihre Unterwäsche, Unterrock und Radlerhosen – und das bei der Hitze!), sondern ein Churydar mit einem dunkelroten knielangen Rock, weissen Pludderhosen und weissem Schal. Am Mittwoch kommt jeweils ein weiss/rot/schwarz karierter Rock mit weissen Hosen und weissem Schal zum Einsatz. Sieht richtig hübsch aus mit den langen, schwarzen Zöpfen und den weissen Maschen und entspricht auch mehr dem hiesigen Klima und der Kleidernorm. Die beiden kommenden Schuljahre werden sehr streng werden und sie hat noch mehr Schule und noch mehr Tuition (Nachhilfe) als bis anhin. Das heisst, von morgens 06.15 Uhr bis 07.30 Uhr Tuition, schnell nach Hause radeln, umziehen, frühstücken und alles für die Schule vorbereiten. Nach der Schule nochmals 1 ½ Stunden Tuition, so dass sie meist kaum vor 19.00 Uhr zu Hause ist. Und das jeden Tag – auch am Samstag und Sonntag, wobei sie am Sonntag gleich 2 x 2 ½ Stunden Tuition hat oder vor Prüfungen gar noch mehr. Und das alles neben den täglichen Hausaufgaben. Meine Güte – ich hoffe, sie schafft das Pensum und klappt mir nicht zusammen! Doch wir hoffen, dass alles gut geht und sie trotz allem auch Spass hat. Da bleibt neben der Schule wirklich für nichts anderes Zeit, aber sie kennen nichts anderes.

Der Monsun zeigte sich in den ersten Juni-Tagen von seiner schönsten Seite. Nachts hatten wir ausgiebige Regenfälle und tagsüber scheinte die Sonne vom wolkenlosen Himmel, es ging eine angenehm kühle Brise - traumhaft schön. Nach der Hitze vom April und Mai konnten wir endlich wieder aufatmen und genossen die angenehmen Temperaturen.

Kurz vor meinem Abflug traf ich mich mit Anna und Veronika zu einem Ladies-Lunch in Varkala, wo ich wieder einmal mit News aus meiner alten Heimat eingedeckt wurde, da ich sonst kaum mehr etwas davon mitbekomme. Noch am selben Nachmittag kam der erlösende Anruf von der Fremdenpolizei, ich könne meine Niederlassungsbewilligung abholen. Seit März war das wieder mal so eine „never ending story“ gewesen. Nebst dem Visum mein zweitwichtigstes Dokument und eigentlich handelt es sich nur um eine Formsache. Trotzdem musste ich es für die Ausreise unbedingt bei mir haben, da es auch schon vorgekommen ist, dass ich es zeigen oder gar abgeben musste. Doch die Sache zog sich dahin und mein Sachbearbeiter wollte einfach nicht vorwärts machen. Fünf Tage vor Abflug wurde er wegen privaten Problemen gefeuert. Sein Nachfolger nahm sich meinem Dossier an und mit etwas Druck gings dann plötzlich. Somit habe ich für ein Jahr Ruhe, bevor das „Gschtürm“ von vorne beginnt...

Endlich, mein langersehnter Reisetag – der 17. Juni! Dr. Gopika lässt es sich jeweils nicht nehmen, mich wie einen älteren Bruder an den Flughafen zu begleiten. Auf dem Flug nach Doha hatten wir dermassen Turbulenzen, wie ich sie noch nie erlebt hatte, so dass ich bald Angst hatte, dass mein Ferienglück schon zu Ende ist, bevor es angefangen hat. Die Mahlzeitenausgabe wurde eingestellt, alle mussten sich setzen und anschnallen und wir hofften auf ein baldiges Ende des Spuks. Wie lange alles gedauert hat, weiss ich nicht und ist schwer abzuschätzen, da einem die Minuten in solchen Momenten wie Stunden vorkommen. Doch als wir das Gewitter endlich hinter uns liessen, wars wieder ruhig und ich konnte den Flug geniessen. Die Flüge in den Golf sind ja immer proppenvoll, doch ich hatte eine 3-er Reihe für mich alleine, was ich noch nie erlebt habe. Wahrscheinlich eine Folge der Finanzkrise, da viele Gastarbeiter aus Kerala ihren Job „in the Gulf“ verloren haben. In Doha schlug ich mir 7 Stunden Wartezeit um die Ohren. War etwas lang, doch ich hatte mich darauf eingestellt und war mit einem Buch und Musik im Ohr gut gerüstet. Dazu noch die „Doha-Garderobe“, die aus einem zusätzlichen Rollkragenpulli besteht, einem Schal, dicken Socken und einer Faserpelzweste, weil der Flughafen dermassen gekühlt wird und je länger man warten muss, desto mehr friert man wegen Übermüdung und Bewegungsmangel. Trotzdem war es mir lieber so, als wenn ich mich für den Flug nach Genf entschieden hätte, wo mir nur 45 Minuten zum Umsteigen geblieben wären. Das wäre echt knapp geworden. Lieber die Nerven schonen und warten, dafür pünktlich und mit Gepäck in Zürich landen, wo meine Eltern und mein Bruder Rolf mich erwarteten.

Zuerst ging es gleich auf die Lenzerhede – meine Basis während meinen Aufenthalten in der Schweiz. Meine Eltern freuten sich riesig über das Wiedersehen und ich traf mich mit einer ehemaligen Kollegin aus Handelsschulzeiten, wo wir uns bei einem Lunch austauschten – war lustig zu erfahren, was in all den Jahren alles lief... Danach war ich für drei Wochen in Südfrankreich – in Ste. Marie la Mer, doch dieses Kapitel ist bereits abgeschlossen und ich mag nicht mehr darüber reden. Es hätte anders kommen sollen, doch ich bin froh um die Erfahrung (bitte nicht bei Mami nachfragen). So freute ich mich wieder auf die Schweiz, genoss die Tage bei Spaziergängen auf der Lenzerheide, habe mit meinen Eltern viel unternommen, ob Verwandtenbesuche, eine Fahrt an den malerischen Badesee nach Savognin oder nach Davos und wir vergnügten uns beim „Viva la Strada“ im verkehrsfreien Dorf, wo sich Einheimische und Gäste treffen, wo Strassenkünstler ihre Darbietungen zeigen und man sich an Ständen der verschiedenen Hotels verköstigen kann. Ein gelungener Abend! Ein verlängertes Wochenende verbrachte ich bei meiner Freundin in Sumiswald, war bei Ina und Rolf in Bern, traf mich dort mit Freundinnen und Marlies und Beatrix fuhren extra wegen mir von Stein am Rhein in die Hauptstadt, um mich doch noch zu sehen. Das war wirklich lieb gewesen. Auf der Heimfahrt besuchte ich meine Schwester Karin mit ihren Kindern Michelle und Lukas und wir verbrachten einen schönen Tag zusammen, bis meine Eltern mich abholten und es uns wieder in die Berge zog.

DAS Highlight war aber auf alle Fälle der Abstecher in die Bünder Berge auf eine abgelegene Alp bei Sedrun/Disentis. Gregor nimmt sich jeden Sommer eine Auszeit von vier Monaten, um eine Kuhherde auf der Alp zu übersömmern. Und so kraxelten wir vom Maiensäss auf 1500 Meter zur Alphütte hinauf, die auf 2000 Meter liegt, wo er nun bis Ende September mit seinem Hund Sämi zur Herde schauen wird. Da es sich um Jungtiere handelt, muss nicht gemolken werden, dafür wird immer wieder eine neue Weide eingezäunt, damit die 130 Tiere genug Futter bekommen. Eine anstrengende Arbeit. Ich war ganz schön stolz, dass ich so berggängig war und es freute mich, dass ich dank meinem täglichen Training (2-3 Stunden) zu Hause keinen Muskelkater bekam und mit Mamis alten Wanderschuhen war ich gut gerüstet für den steilen Aufstieg. Mulmiger war mir vor dem Abstieg, doch auch das ging wunderbar. Die unberührte Bergwelt da oben war einfach grandios, auch wenn das Leben sehr karg ist und wenn die Sonne nicht scheint, dafür alles im Nebel verschwindet, die ganze Pracht unter einer Schneedecke liegt oder es in Strömen giesst - ist das Alpleben sicher nur noch halb so lustig. Doch die Sonne schien, die Alpenrosen blühten noch immer, die saftigen Wiesen, der umwerfende Ausblick ins Tal hinunter – herrlich, das einmal erleben zu dürfen. Als Savitha später die Fotos sah, meinte sie, da möchte sie auch mal hin und das sei ja so malerisch wie im Buch „Heidi and the Geissapeter“...

Bis zum Abflug blieb nicht mehr viel Zeit und die Tage flogen nur so vorbei. Die letzten Einkäufe in Chur erledigen und schon packte ich wieder meinen Koffer mit Würsten, Käse, Schokolade und Geschenken für meine Lieben. Der Abschied fiel dieses Mal schwerer als auch schon, weil die Ferien anders geplant waren, doch ich freute mich wieder auf zu Hause und das ist und bleibt halt Kerala mit Savitha, Gopikas, dem Geethanjali und meinem ganzen exotischen Umfeld.

Wieder begleiteten mich die Eltern an den Flughafen und Rolf nahm sich sogar einen Tag frei – er ist halt einfach der beste Bruder, den man sich wünschen kann! An der „Bye Bye“-Bar wurden wir von Marlies und Bea überrascht, die beide bei der Swiss arbeiten. Bea kam gerade von einem Einsatz aus Nizza zurück und Marlies war für die Reserve aufgeboten worden. Und dann ging es los. Dank meinem super netten Sitznachbarn – einem 40-jährigen Lehrer aus Zürich – konnte ich meine Schlaftablette getrost vergessen, die ich sonst nach dem Essen einnehme, um den Flug etwas zu verkürzen. Wir unterhielten uns prächtig und er freute sich auf seine Ferien auf den Philippinen. In Doha gabs dieses Mal keine lange Warterei und am Gate hiess es, dass ich einen Platz in der Business Class bekomme! Hei, das war eine Überraschung und ist mir in all den Jahren noch nie passiert! Die Eco war bis auf den letzten Platz besetzt und da ich die einzige Weisse war im ganzen Flugzeug, kam ich in den Genuss vom upgrading. Oder vielleicht auch, weil ich jetzt Qatar-Member bin. Wie dem auch sei, der Antrag hatte sich so oder so gelohnt, da ich jetzt immer 30 Kilos an Gepäck mitschleppen darf.

Geetha erwartete mich morgens um 04.00 Uhr am Flughafen und daheim wurde ich innig, wenn auch noch etwas schlaftrunken von Savitha und Shashi begrüsst. Sie freuten sich sehr, dass Mama wieder zurück war, auch wenn sie die Wochen ohne mich gut zurecht gekommen sind. Und ich bin froh drum, dass es auch ohne mich geht und ich somit mehr oder weniger immer „frei“ bin. Nach zwei Stunden Schlaf ging ich gleich zu Gopikas hinüber und begrüsste Irene aus München.

Während meiner Abwesenheit wurden die Bauarbeiten für unsere neue Strasse mit grossem Pomp eingeweiht. Das hätte nicht sein müssen – lieber, wenn alles fertig ist, aber wir hoffen nun, dass die Malayalam Sterne gut stehen und die Arbeiten vorwärts gehen. Wir haben wirklich gelitten unter unserer Strasse – sie war bald die schlechteste in ganz Kerala! Mit zum Teil wadentiefen Schlaglöchern und bei Regen versank alles im Wasser, Schlamm und Dreck. Bis zu meinem Haus gehört die Strasse zur einen Gemeinde und danach zur anderen. Da keine der zuständigen Behörden die Kosten übernehmen wollte, wurde 10 Jahre lang nichts gemacht. Doch jetzt scheint es endlich vorwärts zu gehen und ich muss sagen, dass ich nicht mehr erwartet habe, dass ich die neue Strasse noch erleben werde, solange ich hier wohne. Aber offensichtlich passieren auch in Indien noch Wunder... Vielleicht ist die Monsunzeit nicht gerade ideal, denn als sie den ganzen Tag vor unserem Haus die Strasse mit dem Trax planierten, goss es in Strömen und wir wateten danach im Morast...

Obwohl ich mit blauem Himmel und Sonne satt begrüsst wurde in den ersten Tagen nach meiner Ankunft, gab es doch heftige Regenfälle davor und die damit verbundene Feuchtigkeit lassen alles leiden, was nicht immer benützt wird. So muss ich im Moment immer wieder die Tastatur „föhnen“, die Maus will auch nicht immer so wie ich will, auf meinen Ledertaschen hatte sich Schimmel angesetzt, die Sohlen lösten sich von meinen Schuhen und mein Kleiderschrank müffelte ziemlich. Halt die typischen Tücken der Tropen. Doch wir bekommen das alles wieder hin und der Alltag pendelt sich ein. Es ist einfach ein schönes Gefühl, wieder zu Hause zu sein!

Einen sonnigen und fröhlichen 1. August in die Schweiz!

Liebe Grüsse
Yvonne und Savitha

01 June 2009

Mai 2009

Den neuen Monat läutete ich bei einem schönen Familienabend mit Gopikas in der Stadt ein. Ohne Freunde, Verwandte und Gäste. Leider aber auch ohne Savitha, da sie noch immer in den Ferien bei ihrer Schwester weilte. Es kommt leider kaum mehr vor, dass die ganze Familie Gopika zu Hause ist, da die Kinder seit einem Jahr in der Stadt zur Schule gehen. Kunjunni belegt bereits das zweite Studienjahr im Ayurveda-College und Malu besucht die 12. Klasse. Statt zur Open-Air-Filmvorführung im Goethe-Zentrum entschlossen wir uns zu einer abendlichen Family-Shopping-Tour, wo die ganze Familie neu eingekleidet wurde, da zwei Hochzeiten und das jährliche Klassentreffen von Dr. Gopikas ehemaligen Studienkollegen anstanden. Während sich Malu für ein traditionelles Churydar entschied, wünschte sich Kunjunni seine ersten Jeans mit Jeanshemd! Dr. Gopika überredeten wir zu einem poppigen Hemd und auch für Geetha fanden wir einen passenden Sari. Danach lud ich alle zu einem feinen Dinner ins Muthoot-Plaza ein, wo rückwirkend auf das neue Auto und die vergangenen Sommerferien der Kinder mit warmem Wasser angestossen wurde, bevor wir uns auf das herrliche Buffet stürzten.

Am Donnerstag, 7. Mai, wollten Shashi und ich Savitha von Bharathanoor abholen. Doch am Morgen erfuhren wir, dass gestreikt wird und so blieb uns nichts anderes übrig, als das Programm zu streichen. Wenn keine öffentlichen Verkehrsmittel fahren, können die Leute nicht zur Arbeit erscheinen und so bleiben alle Geschäfte geschlossen, Schulen und öffentliche Ämter sowieso – alles steht still für einen Tag. Am nächsten Tag ging es auch nicht, weil der Freitag kein „guter Tag“ ist für die Hindus. An diesem Wochentag verlassen sie nie ein Haus, wenn sie länger da waren.

Endlich – am Samstag stand unserem „Fährtli“ nichts mehr im Wege. Savitha wartete schon ganz aufgeregt und hatte ihr Köfferchen bereits gepackt. Sie freute sich wieder auf zu Hause und so soll es ja auch sein. Saritha, ihr Mann, Tochter Srikutty und der neugeborene Srikutten (heisst so viel wie „kleiner Junge“) wohnen alle beim Schwiegervater im Haus. Es wurde ein zusätzlicher Anbau mit Eingang, Wohnzimmer und zwei kleinen Kämmerchen gebaut, doch wie es ausschaut wohnen sie noch lange – oder für immer – in diesem Provisorium. Wie so oft hier, ist ihnen wahrscheinlich das Geld ausgegangen und deshalb bleibt alles im Rohbau und somit grau in grau. Ein unbehandelter Zementboden mit nackten grauen Backsteinmauern. Das ganze Inventar besteht lediglich aus einem grossen Tisch mit einem nackten Bettgestell dahinter, welches als Sitzgelegenheit benützt wird und dem Ehemann als Schlafstatt dient, drei Plastikstühlen, einem kleinen Tisch mit TV und in einem eingemauerten Regal steht eine Stereoanlage, wobei die Kabel durch den Raum hängen. Alte, schmuddelige Tücher dienen als Türen. Thats it. Saritha schläft mit dem Baby in einem kleinen Kämmerchen, wo kaum ein Bett drin Platz hat und von der Decke hängt eine Schnur, an dessen zwei Enden ein altes Tuch als Babywiege dient. Keine Spur von einem eigenen Babyzimmer, wo die Wickelkommode zum verstellbaren Kinderbettchen und zum Kleiderschrank passt und natürlich auch die Vorhänge zum Lampenschirm, dem Tüllvorhang vom Stubenwagen und womöglich auch den Tapeten. Wo Kisten prall gefüllt sind mit Spielsachen und Plüschtiere in Reih und Glied darauf warten, dass mit ihnen gespielt wird. Nein, auf diese Idee käme hier niemand. Hier wird alles viel einfacher gehandhabt, schon fast trostlos. Doch trotz der Einfachheit sind die Leute dermassen herzlich und gastfreundlich. Savithas Mutter platzierte mich auf einem Stuhl, drückte mir Srikutten in den Arm und dann kamen alle Verwandten, Freunde und Nachbarn, um mich zu besichtigen. Das dreiwöchige Baby schlief derweil genüsslich in meinen Armen, während es um ihn herum hoch zu und her ging. Aber die Kinder sind sich den Lärm von klein auf gewohnt und können bei jeder Dezibelstärke schlafen. Und niemandem käme es in den Sinn, auf ein schlafendes Kind Rücksicht zu nehmen. Als Willkommensdrink wurde ein sehr süsses Getränk aus Wasser mit Mangopulver gereicht, dazu eine Banane. Nach spätestens einer Stunde verabschiedet man sich und unterwegs lud ich Savitha, Shashi und Ashok, unseren Fahrer zum Mittagessen in ein einfaches Restaurant am Strassenrand ein. Shashi fand es total aufregend, da sie noch nie (!) in ihrem Leben in einem Restaurant gegessen hatte! Dass es so etwas noch gibt!? Wir wären im Hauptteil des Restaurants DER Hingucker gewesen, doch wir bekamen ein Familienabteil in einem separaten Häuschen zugewiesen, wo wir ganz ungezwungen unser Chicken-Curry mit Chappathi schmatzten und dazu wurde abgekochtes Kümmelwasser in Plastikkannen gereicht.

Endlich wurden die Resultate aller „10.-Klässler“ in ganz Kerala bekannt gegeben. Die Spannung unter den Schülern war kaum mehr zu ertragen. Es wurde ständig hin und her telefoniert und die Internetlinien brechen jedes Jahr zusammen, wenn alle gleichzeitig ihre Resultate sehen wollen. 470'000 bestanden die Prüfungen und das waren erst die Schüler mit dem Kerala-Lehrplan. Diejenigen mit dem All-India-Lehrplan werden ihre Prüfungen erst später ablegen. Wir freuten uns riesig mit Savitha, dass sie mit einem Grade A (82.81 %) abgeschlossen hat. In English, Chemistry, IT und Social hat sie sogar ein A+ erreicht (90-100%). Das heisst, dass sie „Science Biology“ fürs 11. und 12. Schuljahr wählen kann, was der höchsten Fachrichtung entspricht. Auch wenn sie später weder ein Arzt- noch ein Ingenieur-Studium belegen wird, hat sie damit eine sehr gute Basis und kann einen „professional course“ nach ihren Wünschen wählen. Da die Jothy Nilayam Schule, wo sie bis jetzt zur Schule ging, Science- und IT-Klassen anbietet, kann sie in der gleichen Schule bleiben. Darüber sind wir sehr froh, denn so bleibt sich alles wie gehabt. Sie kann weiterhin zu Hause wohnen, hat den gleichen Schulweg, das gleiche Tuition Center und viele ihrer Freundinnen werden auch bleiben. Das ist für uns um einiges einfacher, als wenn sie in eine Stadtschule wechseln würde, da sie mit den öffentlichen Bussen hin und her fahren müsste, was ziemlich mühsam ist während den Stosszeiten, wenn alles hoffnugnslos überfüllt ist oder sie würde ein Zimmer in einem Mädchen-Hostel mieten, was auch nicht gerade das Gelbe von Ei ist. Nein, da behalte ich meine kleine Maus lieber zu Hause und sie möchte auch nicht weg. Es genügt, wenn sie sich in zwei Jahren neu orientieren muss.

Nachdem ich Familie Gopika ins Muthoot-Plaza eingeladen hatte, liessen Savitha und ich es uns bei einem gediegenen Essen im Taj Residency Hotel in der City schmecken, schliesslich wollten wir ihren guten Schulabschluss auch gebührend feiern. Das Buffet war wie immer absolut grandios mit vielen europäischen Gerichten und Savitha freute sich über den grünen Salat mit französischer Salatsauce. Im Preis war sogar ein Glas Sekt inbegrifffen – für mich der erste in einem indischen Hotel und er war echt lecker! Savitha hielt sich lieber an ihre Cola und der Chef de Service verwöhnte sie zur Feier des Tages mit einem speziellen Dessert – eine nette Geste. Danach konnte man uns nach Hause „rugele“.

Es war extrem heiss und oft kaum mehr zum Aushalten. Vor allem, wenn auch noch der Strom abgestellt wurde und wir tagelang ohne Ventilatoren auskommen mussten. Es hiess, es würden neue Strommasten aufgestellt und auch an unserer Strasse wurden sie am Strassenrand deponiert. Doch da lagen sie und werden wohl noch eine Weile bleiben – bis sie brechen, vergammeln, sich sonstwie auflösen oder von den Leuten für andere Zwecke benützt werden – je nach dem... Aber Elektromasten hin oder her, wir hatten keinen Strom und als er auch noch in der Nacht ausblieb, verbrachte ich eine Vollmondnacht auf der Dachterrasse in der Hängematte und am Morgen bereiteten Savitha und ich uns im Kerzenschein vor für die jährliche Madom-Pooja.

Am 11. Mai weihte der Oberpriester den Behandlungsraum vom Geethanjali, damit die Energien wieder stimmen und wir hoffentlich einer erfolgreichen Saison entgegen sehen dürfen. Die drei Gebetszeremonien in den frühen Morgenstunden (zwischen 05.30 – 11.00 Uhr) waren wie immer sehr stimmungsvoll und berührend. Im Schein der Öllampen wurden die Mantras gesungen, Götterspeisen, viele Wurzeln, Kräuter und Blätter dem heiligen Feuer geopfert und langsam erwachte der Tag. Zwischendurch gab es Frühstück und vor dem Mittagessen fuhr ich mit Shibu rasch in die Stadt, da wir dringend ein paar Sachen erledigen mussten. Zu Hause reichte die Zeit gerade noch für eine kurze Siesta, bevor es zur letzten Abendpooja ins Geethanjali ging. Für die Göttinnen wird kein Feuer mehr entfacht, dafür hat der Priester am Nachmittag mit seinen Helfern ein sehr aufwendiges Mandala mit farbigem Reispulver auf den gestampften Kuhmistboden gemalt und die Mantras wurden wieder im Schein der Öllampen gesungen und dabei Blumenblüten dargebracht. Es ist einfach unglaublich, aber auch nach 13 Jahren Kerala geht mir Indien noch immer unter die Haut! Dabei habe ich diese Zeremonie schon 10x miterlebt – so lange gibt es das Geethanjali nun schon und trotzdem ist es jedesmal sehr ergreifend.

Am nächsten Tag unterschrieb ich meinen neuen Mietvertrag. Ich liess den Vertrag für mein Häuschen nochmals um ein Jahr verlängern und in der Zwischenzeit werde ich nach etwas anderem Ausschau halten. Die Eigentümer benötigen das Haus wahrscheinlich als Mitgrift für die Hochzeit ihrer Tochter und mir ist es so auch recht. Das „Vishakham“ war ja eh als Übergangslösung gedacht und ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass es uns dermassen ans Herz wachsen würde mit allen Mängeln und Fehlern, doch wir fühlten uns hier wirklich wohl und es war ein guter Start gewesen in einen neuen Lebensabschnitt. Doch im nächsten Jahr soll es wieder eine grössere Veränderung geben und wir werden nochmals umziehen. Bin bereits gespannt, wohin es uns verschlagen wird. Sicher bleiben wir in der Nähe vom Geethanjali, am liebsten würde ich ein Haus mieten mit Strandanstoss in Puthenthope oder St. Andrews. Mal sehen, ob dieser Wunsch in Erfüllung geht und sonst finden wir sicher etwas anderes, das passt.

Eine Woche nachdem wir Savitha bei ihrer Schwester abgeholt hatten, fuhren wir nochmals zu Saritha für die Taufe von Srikutten, der endlich seinen offiziellen Namen bekommen sollte. Ich dachte, da würde die ganze Verwandtschaft eingeladen, Freunde und Bekannte, natürlich auch die Nachbarn und so war ich gespannt auf die Feier. Doch als wir kamen, war noch nichts vorbereitet und es gab auch nicht mehr viel zu tun. Die Frauen schlurften wie eh und je in ihren Nighties herum, von auswärts waren nur Savitha, Shashi und ich für den besonderen Anlass gekommen und wir waren die „Herausgepützeltsten“ von allen, was jedoch von uns erwartet wurde. Savitha trug sogar zum ersten Mal in der Öffentlichkeit einen Kerala-Sari – und wie gut er ihr stand!! Nach dem gleichen „Apéro“ wie beim letzten Besuch konnte der Taufakt beginnen. Der Grossvater fungierte so quasi als Priester. Der Kleine wurde auf den Namen Anuragh getauft, wobei niemand ihn so nennt. Für alle bleibt er Srikutten. Während das Deepam brannte, ein paar Räucherstäbchen angezündet wurden und die üblichen Opfergaben wie Kokosnuss und Bananen auf einem Bananenblatt lagen, wurde das Baby von der Mutter über eine Schale Reis gehalten und zwar so, dass seine Füsschen den Rohreis berührten. Er fand das gar nicht lustig, auch nicht, als der Vater ihm die traditionelle schwarze Schnur um die Hüften band und man ihn mit Schmuck behängte. Eine Goldkette von den Eltern um den Bauch, Silberkettchen an den Fussgelenken, schwarze Plastikarmreifen, einen minimunzigen Ring und von Cujamma Savitha (jüngere Tante) bekam der Kleine eine goldene Halskette. Danach gabs noch Frühstück und das wars. Nach 1½ Stunden waren wir schon wieder auf der Rückfahrt. Der Ausflug hatte sich jedoch so oder so gelohnt und die Familie schätzte es sehr, dass wir extra zu ihnen ins Hinterland fuhren.

Savitha und ich gönnten uns einen lustigen Mutter-Tochter-Shopping-Tag in Trivandrum und liessen uns von Shibu im neuen Auto wie Ladies herum kutschieren. Von hübscher Unterwäsche über silbrige Sandaletten bis zum mint/silbrigen Kleid mit den passenden Armreifen wurde Savitha für die Diplomfeier am 13. Juni neu ausstaffiert. Über Mittag stärkten wir uns mit einem Hamburger und Cola, einem Eis zum Dessert und auf der Heimfahrt wurde noch das neue Fahrrad gekauft. Das alte war total ausgeleiert und musste ausrangiert werden. Kunststück bei unseren schlechten Strassen und von Monsun zu Monsun werden die Schlaglöcher noch grösser und tiefer. Der Tag hat uns beiden gut getan, denn wir kommen kaum mehr dazu, etwas zusammen zu unternehmen und sobald die Schule wieder anfängt, gibt es eh keine Möglichkeiten mehr. Ich wollte sie eigentlich während den Sommerferien gerne für drei Tage in ein Resort einladen, doch dann war sie so lange in Bharathanoor, danach gingen die Vorbereitungen los für das neue Schuljahr, die Maths-Tuition hat auch gleich angefangen und dann blieb plötzlich keine Zeit mehr dafür.

Mitte Monat begann endlich die neue Saison im Geethanjali und ich freute mich sehr auf die neuen Gäste. Am Sonntag morgen erwartete ich Sandra aus Genf am Flughafen und am nächsten Tag gabs die gleiche Tour zur selben Zeit mit der gleichen Maschine für Micaela aus Frankfurt. Die beiden verstanden sich prima und so war auch ich oft im Geethanjali drüben und bin froh, dass jetzt wieder was läuft. Ich begleitete die beiden zum Shopping in die Stadt und wir verbrachten einen sonnigen Nachmittag in Varkala, wo trotz tiefster Zwischensaison das eine oder andere Geschäft und Restaurant auf den Klippen offen war. Am Strand räkelten sich sogar ein paar Touristen und das Meer war sehr aufgewühlt nach den vorangegangenen Regentagen. Sandra und Micaela freuten sich über den Abstecher zur heiligen Beach und den Dorfmarkt, wo ich alte Bekannte traf und es wie immer ein grosses „hallo“ gab und sich alle nach meinem Wohlbefinden und nach Savitha erkundigten.

Die letzte Woche mussten wir ohne Shashi auskommen, da ihre Tochter zur „Frau“ wurde und deshalb musste sie sich um die erst 11-jährige Renjini kümmern, für Besuch kochen und die „Mens-Party“ am 1. Juni vorbereiten. Savitha besuchte ihre kleine Freundin einige Male und auch Mama schaute bei der Familie vorbei, so wie es sich gehört. Renjini hätte es sicher vorgezogen, wenn ihre 1. Periode nicht während den Sommerferien eingesetzt hätte, da sie dann eine Woche schulfrei gehabt hätte. Sie durfte das Haus nicht verlassen, nicht mal ihr Mädchenzimmer, bekam dafür Frauenbesuch von Cousinen, Freundinnen, Tanten und Nachbarinnen, musste zwar eine spezielle Diät einhalten, wurde aber auch verwöhnt und liess es sich gutgehen und natürlich freute sie sich auf die bevorstehende Party zu der wir auch eingeladen sind. Shahsi hat uns bereits den Schmuck gezeigt, den Renjini bekommen wird und sie ist dran, ihr Partykleid zu nähen. Ich erinnere mich noch gut an die Aufregung damals mit Savitha, als sie zum erstenmal in ihrem Leben im Mittelpunkt stand.

Der Monsun setzte in diesem Jahr bereits am Samstag, 23. Mai mit voller Wucht ein. Früher konnte man den Kalender nach dem Monsun richten, der immer am 1. Juni über Kerala herein brach. Nach der Hitze im April und Mai waren wir extrem froh um den Segen und wir konnten endlich wieder aufatmen. Trotz dem heftigen Regen zeigte sich die Sonne jeden Tag. Wir nahmen auch gerne in Kauf, dass unsere Strasse gleich wieder unter Wasser stand – wir können es eh nicht ändern – und von jetzt an verlassen wir das Haus nicht mehr ohne einen Schirm dabei zu haben. Der Regen war auch bitter nötig, da alles extrem ausgedörrt, staubig und trocken war. Viele Brunnen hatten kein Grundwasser mehr und in vielen Gegenden war es extrem eng geworden mit dem Nass, so dass noch vorsichtiger umgegangen werden musste mit dem kostbaren Gut. Wir hatten zum Glück keine Probleme damit, doch in Bharathanoor gab es kaum noch Wasser und auch in der Stadt gab es in gewissen Quartieren Engpässe, so dass Kunjunni eine zusätzliche Ferienwoche im College bekam. Zudem war der letzte Monsun sehr schwach ausgefallen. Deshalb sind wir froh, wenn es in diesem Jahr wieder ausgiebig regnet. Die Strommasten liegen noch immer am Strassenrand im Wasser – die wird jetzt niemand mehr aufstellen wollen. Dafür hält der Strom vielleicht...

Ausgläutet wurde der Monat bei der Feier des 13-jährigen Bestehens der Magic-Academy in Trivandrum. Nach den üblichen Reden wurde eine halbstündige Magic-Show geboten, die als Geschichte über den Maharaja von Travancore aufgezogen war. Okay, aber nicht gerade, dass es einen vom Hocker riss. Uns Ausländer eh nicht, da wir der Story in Malayalam nicht folgen konnten, aber auch das Publikum ging kaum mit – oder es war wie üblich, dass sie begeistert waren, es jedoch nicht zeigen konnten. Wie dem auch sei, es war nett gewesen und wir konnten den Gästen doch etwas von der hiesigen Kultur bieten.

Und jetzt heisst es noch 16x schlafen bis ich das Flugzeug in Richtung Zürich besteige. Ich fliege nochmals für 5 ½ Wochen in die Schweiz (aber nicht nur...) und werde mich somit erst Ende Juli wieder mit einem Newsletter melden. Die Freude ist riesig, da ich seit 2005 nie mehr einen Sommer in Europa erlebt habe und dieser soll ganz besonders werden... Mehr werde ich aber noch nicht verraten.

Savitha und ich grüssen euch alle ganz lieb und bis zum nächsten Mal.

Yvonne

01 May 2009

April 2009

Eigentlich habe ich erwartet, dass der April völlig unspektakulär, ja sogar langweilig über die Bühne gehen würde, doch weit gefehlt...

Bis Mitte April hatten wir noch Gäste im Geethanjali und danach schickten wir das Personal für 10 Tage nach Hause. Ursprünglich war geplant, dass Dr. Gopika, Geetha und ich mit dem Zug nach Mumbai fahren, wo wir den Guruji in seinem Ashram besuchen wollten und danach weiter nach Chennai um eine Familie zu sehen, deren Sohn von Dr. Gopika behandelt wird. Die Familie hat uns schon x-mal eingeladen und es wäre eine tolle Gelegenheit gewesen, mal aus Kerala raus zu kommen und eine so lange Zugfahrt zu erleben. Wir hätten jedoch das Zugticket schon drei Monate zum Voraus buchen müssen und so liessen wir es sein. Offensichtlich sollte nicht mal die jährliche Pilgertour nach Guruvayoor für Gopikas sein und so blieben sie zu Hause, wo viele einheimische Patienten seinen Rat suchten und sich konsultieren liessen.

Ich verbrachte auch ruhige Tage zu Hause, da es sehr heiss war und man froh war, keine grossen Sprünge machen zu müssen. Die Ventilatoren liefen auf Hochtouren und in meinem Büro wurde es unter dem Flachdach bis zu 36° - der heisseste Platz überhaupt im ganzen Haus.

Savitha fuhr gleich nach den Prüfungen zu ihrer Schwester ins Heimatdorf, half im Haushalt und kümmerte sich um ihre 3-jährige Nichte Srikutty. Am 17. April holte man das zweite Baby per Kaiserschnitt. Ein Junge, der seinen Namen erst während der Zeremonie zu seinem 41. Lebenstag bekommt. Ich gehe mal davon aus, dass die Eltern wussten, dass es ein Junge wird, denn sonst wäre mit ziemlicher Sicherheit abgetrieben worden und sie hätten es nochmals „probiert“. In den Privatspitälern wird hier praktisch nur noch per Kaiserschnitt entbunden. Ein lukratives Geschäft (Operationskosten und 10-tägiger Spitalaufenthalt) und die Ärzte finden immer einen Grund, die Operation „schmackhaft“ zu machen. Zudem kann der Termin vorbestimmt werden. Und wem das nicht passt, soll doch lieber ins Government Hospital gehen und dort warten, bis sich das Baby meldet. Es liegt jedoch eindeutig auch an den Müttern. Sie wollen sich keinen Schmerzen mehr aussetzen und es scheint zum guten Ton zu gehören, wenn sie erzählen können, sie hätten per Kaiserschnitt entbunden. Keine gute Entwicklung...

Somit war ich abends jeweils alleine zu Hause, was sehr angenehm war und ich habe die Zeit für mich genossen. Auch Jimmy fehlt uns nicht. Ich fühle mich jetzt viel freier und wir müssen nicht ständig seine Fressenszeiten organisieren, wenn wir nicht hier sind. Wir kommen ganz gut ohne ihn zurecht. Ich denke, die Entscheidung war richtig gewesen.

Eine angenehme Abwechslung brachte Tatina aus Bern. Ich lernte sie im März auf dem Flug von Zürich nach Trivandrum kennen und nachdem sie im Ashram war und bis nach Singapore reiste, kam sie auf der Rückreise noch für zwei Tage zu mir und ich besuchte sie später noch in Varkala, bevor sie wieder nach Hause musste. Auch Rosi besuchte mich an einem Nachmittag mit ihrem Sohn Florian und wir verbrachten wie immer einen gemütlichen Nachmittag auf der Terrasse.

Die Alliance Française organisierte ein Jazz-Konzert in der Senate Hall vom University Campus. Ich freute mich sehr auf den Abend und war gespannt auf die neue Direktorin, die ich bei dieser Gelegenheit kennenlernte. Amélie ist mit einem Inder verheiratet und hat vor drei Monaten ihr erstes Baby bekommen. Wie erwartet, war es super laut, doch ich hatte mit Ohrstöpseln vorgesorgt. Der moderne Jazz war jedoch eindeutig zu exotisch für das hiesige Publikum und sie konnten nicht viel damit anfangen. War auch für mich grad so an der Grenze und in einem Land, wo man diese Musikrichtung überhaupt nicht kennt und das Publikum auch aus vielen älteren Leuten besteht, war das ziemlich gewagt. Die Euphorie hielt sich deshalb mehr als in Grenzen, obwohl der Applaus hier nie als Gradmesser gewertet werden kann, weil die Keraliten immer sehr zurückhaltend sind. Sie können einfach nicht ausflippen und sich freuen.

Und schon stand Ostern vor der Türe. Die Feiertage gingen spurlos an mir vorbei, da ich ja in einem Hindu-Quartier wohne mit Muslim-Nachbarn um mich herum und ich war weder in einem Gottesdienst in der Puthenthope, noch in der St. Andrews Church. Dafür genoss ich den Oster-Lunch mit meiner Freundin Margaret im Leela-Kempinsky, da sie eine Woche später nach Europa flog und wir einander erst Ende Juli wieder sehen. Das war mein „Osterhäsli-Event“.

Dieses Jahr fiel „Vishu“ auf den Oster-Dienstag. Die Hindus in Kerala feiern an diesem Tag das neue Jahr im landwirtschaftlichen Kalender, wo der erste Samen auf den Feldern ausgesät wird. Die Hausfrauen richten in den frühen Morgenstunden die traditionelle Öllampe her und nebst den üblichen Opfergaben mit Kokosnüssen, Bananen und Räucherstäbchen, dürfen die Vishu-Flowers nicht fehlen, die nur zu dieser Jahreszeit blühen und die bei uns als Goldregen bekannt sind. An diesem speziellen Tag werden auch Früchte, Gemüse, Süssigkeiten, Goldmünzen, Schmuck, ein Kleidungsstück, ein Spiegel etc. dazu gelegt und die übrigen Familienmitglieder sollen nach dem Aufstehen mit geschlossenen Augen vor das Deepam treten, um zuerst die grosse Pracht zu sehen, in der Hoffnung, dass die Götter einem im kommenden Jahr gut gesinnt sind und einem mit all den dargebotenen Opfergaben reich beschenken. Ich wurde zu diesem Anlass ins Geethanjali eingeladen, wo wir zusammen mit den Angestellten feierten und die Boni verteilt wurden.

Da Gopikas nicht in die Ferien fuhren, haben sie dafür ein schönes Familientreffen in der Stadt organisiert. Sie luden zwei frisch vermählte Paare ein mit ihren Familien, wobei die Bräute mit Geetha verwandt waren und die „Bräutigämmer“ mit Dr. Gopika. Die junge Generation kennt sich untereinander kaum mehr, da viele in den Golfstaaten wohnen und so war es auch für Malu und Kunjunni interessant, ihre Cousinen und Cousins kennen zu lernen. Ich war die grosse Attraktion, da sie alle schon von mir hörten, doch nicht kannten. Es wurde ein sehr vergnüglicher Abend und es war ein schönes Gefühl, als Familienmitglied von Gopikas dazu zu gehören.

Schon seit Wochen warfen die landesweiten Wahlen ihre Schatten voraus und es ging hoch zu und her in Kerala, wie auch in allen anderen Bundesstaaten. Jeden Tag Parteizusammenkünfte an jeder Hausecke und jeder Kreuzung und oft genügte ein Salontischchen als Rednerpult, ein Mikrofon, Lautsprecher und ein paar gemietete rote Stühle, um lauthals Wahlpropaganda zu machen. In der Stadt waren oft ganze Strassenabschnitte wegen Parteimärschen gesperrt und zugepappte Jeeps mit den Konterfeis der Kandidaten und riesigen Lautsprecherboxen auf den Dächern dröhnten tagelang durch die Quartiere. Daneben waren ja auch die Tempelfeste noch in vollem Gang und so ging es den ganzen Monat sehr laut zu und her! Am 16. April war es endlich soweit und ganz Kerala marschierte an die Urnen. Da über 700 Mio Inder ihr neues Parlament wählen, wird in fünf Etappen abgestimmt und somit wird das Resultat erst Mitte Mai bekannt gegeben. Hier ging es ruhig und gesittet zu her, ohne Ausschreitungen und am nächsten Tag gingen alle mit der berühmten blauen Tinte am Finger, als Zeichen, dass sie ihre Stimme in der Heimatgemeinde abgegeben haben, wieder zur Arbeit. Kunjunni war zum ersten Mal dabei, da er im letzten November 18 wurde.

Shashi begrüsste mich am 20. Mai freudestrahlend, überreichte mir einen kleinen Schokoriegel und erklärte, dass sie heute Geburtstag habe. Wie schön! Als ich sie jedoch fragte, wie alt sie sei, lachte sie nur und meinte, das wisse sie auch nicht... Ist offensichtlich nicht so wichtig!!! Sie durfte dafür am Nachmittag früher Feierabend machen und besuchte mit der Familie den Tempel. Überhaupt hat sie während diesem Monat etwas reduziert arbeiten dürfen. Erstens wegen der Hitze und zweitens gibt es weniger zu tun, wenn Savitha nicht hier ist. Da ihre Kinder Ferien hatten, schickte ich Shashi mit ihrer Schwiegermutter und den Kindern mal ins Kino, mal an die Beach, sie war zu diversen Hochzeiten eingeladen und ab und zu war auch eines der Kinder hier, um ihr etwas Gesellschaft zu leisten.

Im Büro gabs für mich auch nicht so viel zu tun, so dass ich mal wieder ausgiebig Zeit hatte zum Lesen. Nur um den Jahresabschluss der Merlotscha Consulting Pvt. Ltd. musste ich mich kümmern. Meine Firmenbuchhaltung ist jedoch relativ übersichtlich und so war auch das innert nützlicher Zeit erledigt und ich konnte alle Unterlagen dem Treuhänder übergeben, der sich um alles weitere kümmern wird.

Jasmi, das Mädchen von unseren Nachbarn, bekam ihre erste Periode und lud mich zur „Mens-Party“ ein. Vor zwei Jahren waren wir am gleichen Anlass von ihrer älteren Schwester Susmi. Zudem kenne ich das Prozedere bereits von Malu und Savitha. Die Mädchen werden beim esten Mal für 7 Tage zu Hause behalten - wo sie sich in einem separaten Zimmer aufhalten, eine spezielle Diät bekommen, sie werden gehätschelt und verwöhnt, bekommen jeweils Besuch von weiblichen Verwandten, dafür gibts keinen Kontakt zu Männern, nicht mal die Väter oder Brüder dürfen das Zimmer betreten und natürlich gibt es noch mehr Restriktionen, je nachdem wie traditionell an den Regeln festgehalten wird. Der Abschluss wird am 7. Tag mit einer Party gefeiert - das erste Mal im Leben eines Mädchens, wo sie im Mittelpunkt steht - und so wurde ich neben allen Verwandten zum traditionellen Biryani-Essen (Reisdurcheinander mit zähem Ziegenfleisch) eingeladen. Als Ehrengast wurde ich zuerst und alleine verköstigt – gehört sich so, auch wenn es weder unterhaltsam noch lustig und auch nicht angenehm ist – aber es ist halt so. Kaum hatte ich die Hände gewaschen, bedankte und verabschiedete ich mich, damit die anderen in Schichten essen konnten. Typisch indische Gastfreundschaft, doch alle waren glücklich, dass „Mama“ dabei war.

Das Goethe-Zentrum in Trivandrum organisierte ein 7-tägiges Filmfest und so war ich an zwei Abenden dabei. Hinter dem aufwändig renovierten Keralahaus, wo sie jetzt einquartiert sind, gibts ein offenes Amphitheater für etwa 150 Personen und ich denke, dass da noch so mancher Anlass auf dem Programm stehen wird. Später wird einmal im Monat ein deutscher Film gezeigt mit englischen Untertiteln. Finde ich toll, dass auch das Goethe-Zentrum neben der Alliance Française und der russischen Kulturgemeinde etwas für die Einheimischen bietet. Sie wollten mich im Februar anfragen, ob ich während den Sommerferien den einen oder anderen Kindernachmittag übernehmen würde, um mit den Kindern zu spielen, die Deutsch lernen wollen. Das hätte ich sehr gerne gemacht, nur war ich damals schon in der Schweiz. Doch wenn es wieder einmal etwas gibt, wo ich in irgendeiner Weise mithelfen kann, bin ich gerne bereit, nur will ich keinen festen Job annehmen, weil mir das zu viel wäre.

Doch DAS grosse Highlight des Monats war die Übergabe vom neuen Firmenauto, meinem Mahindra Scorpio, am 29. April. Das war wirklich ein spezielles Erlebnis gewesen, obwohl Hans und ich ja bereits das eine oder andere Gefährt in Kerala eingeweiht hatten. Zuerst die Vespa, dann der Ambassador, die Rikscha und noch zwei Tata-Sumo. Auf dem Weg mit dem Taxi zur Garage kam uns ein Elefant entgegen, was als gutes Omen gilt. Beim Eingang zum Autohaus war ich namentlich auf einer Tafel erwähnt. Heute standen zwei Auslieferungen an und man wünschte den Neufahrern „good luck“. Für die Schlüsselübergabe wurde eine richtig schöne Zeremonie arrangiert. Das Auto stand mit einem gelben Band dekoriert in der „Übergabe-Ecke“ und Shibu legte vor jedes Rad ein Betelnussblatt mit einer Limone, die beim Wegfahren zerquetscht wurden – als Symbol für eine gute Fahrt. Der General Manager persönlich überreichte mir die Schlüssel, die Autounterlagen und ein Päckli und es kamen viele Schaulustige von der Strasse her. Im Päckli waren Bonbons – auch typisch für hier, damit sich alle erfreuen können. Als wir wegfuhren, winkten uns alle zu und schon begann es zu tröpfeln – die Götter hätten es nicht besser arrangieren können und Dr. Gopika freute sich, dass wir ihren Segen bekamen. Auf der Fahrt überholten wir zwei Elefanten (ein noch besseres Omen, wenn man sie zuerst von hinten sieht!). Beim ersten Tempel liessen wir in meinem Namen eine Pooja beim Priester beten und den Autoschlüssel segnen. Dafür schmissen Dr. Gopika und ich je drei Kokosnüsse an eine Wand und alle zersplitterten in 1000 Stücke – wie könnte es anders sein – auch ein positives Zeichen! Weiter zu einem berühmten Ganesh Tempel und auch da beteten wir für unfallfreie Fahrten und liessen eine Pooja machen. Ein Auto kann wirklich kaum schöner und aufwendiger eingeweiht werden und ich habe mich sehr darüber gefreut. Am nächsten Tag kamen Gopikas Kinder nach Hause, da sie das Auto sehen wollten und ich lud alle zu einem feinen Dinner in die Stadt ein, wo wir das neue Auto und ihre Sommerferien feierten.

Savitha ist noch immer in Bharathanoor bei Saritha und ihrer Familie und ich werde sie voraussichtlich mit Shashi am 7. Mai abholen. Danach werden die Resultate von den letzten Prüfungen bekannt gegeben und wir werden uns um die neue Schule für das 11. und 12. Schuljahr kümmern müssen. Somit wird im Mai eine grosse Entscheidung anstehen und dann??? Ja, dann wirds hoffentlich ganz schnell Juni. Aber ich verrate noch nichts...

Liebe Grüsse und bis in einem Monat
Yvonne

30 January 2009

Januar 2009

Nachdem ich mit Corina, die am Vortag in Trivandrum landete, und den Gästen im Thapovan bei klassischem und modernem Tanz, Buffet, süssem, selbst gemachtem Wein und Feuerwerk ins neue Jahr rutschte, fuhren wir kurz nach Mitternacht nach Hause, da wir alle am 1. Januar unsere Behandlungen hatten. Ich durfte sogar die „Massagen 09“ um 07.00 Uhr in der Früh einweihen, was immer ein grosses Privileg ist.

Corina gefiel es riesig bei uns und ich konnte ihr in den 14 Tagen einiges bieten, auch wenn wir keine grossen Sprünge machten. Trotzdem bekam sie viel mit vom indischen Alltag mit und kann sich jetzt ein Bild machen, wie wir hier leben. Auf dem Dorfmarkt war es wie immer sehr bunt, heiss, laut, doch in der Fischabteilung war ihr der Geruch dann doch zu penetrant. Der Markt bietet immer tolle Fotosujets und sie genoss die Rikschafahrten zum Supermarket und zur Post, wir machten Einkäufe in den kleinen Geschäften im Dorf und überall gab es etwas Spannendes zu sehen. Gegen Abend spazierten wir auch gerne in unserem Quartier, um die nahen Reisfelder und im Veli-Park.

Die Backwater-Sunset-Tour, die wir mit Annie vom „Palmleaves“ testeten, werde ich in Zukunft gerne unseren Gästen anbieten. Mit dem Auto nur etwa fünf Minuten vom Geethanjali entfernt, beginnt ein wunderschönes Backwatergebiet, wo wir auf der Fähre 4x mit den Einheimischen hin und her fuhren. Die Männer kamen von der Arbeit nach Hause, Frauen vom Einkaufen und die Schüler vom Nachhilfe-Unterricht. Fahrräder wurden ins Boot gehievt, wie auch riesige Aluminium-Gefässe von den Fischerfrauen, die ihre Ware von Haus zu Haus anbieten. Um 18.00 Uhr wird der Fährbetrieb eingestellt und der Fährmann fuhr uns bis zum Eindunkeln auf dem See herum, während die Sonne hinter den Palmen unterging und alles rund um uns herum in ein prächtiges Rot verwandelte. Ein eindrückliches Erlebnis, ohne viel Aufwand und Organisation.

Am Sonntag besuchten wir nach 09.00 Uhr die Kirche in Puthenthope und haben nach dem Religionsunterricht die „Kindermesse“ erlebt. Ein Meer von Kindern sass uns zu Füssen und Lehrerinnen, Nonnen oder Mütter achteten darauf, dass alle ruhig sassen und nicht schwatzten. Nur wenige Erwachsene nahmen an der Messe teil – sie besuchten die Frühmesse um 06.00 Uhr. Wir sassen den Seitenwänden entlang mit den alten Leuten auf Plastikstühlen, während die Einheimischen auf dem Boden sitzen. Es wurde gesungen und gebetet und alle trugen ihre schönsten Kleider und hatten sich für den Kirchgang herausgepützelt.

Corina war beeindruckt von den Gegensätzen, die Indien bietet und so schlemmten wir bei einem üppigen Sonntags-Lunch im 5-Sterne-Luxus in Kovalam und am nächsten Tag begleiteten wir Shashi nach Hause und Corina konnte kaum glauben, wie einfach sie in ihrem Häuschen mit der ganzen Familie wohnt. Alles ist alt, klein, eng und dunkel und trotzdem sind sie glücklich. Sie haben ein eigenes Stück Land mit einem Dach über dem Kopf und Shashi hat eine sichere und gute Arbeitsstelle, so dass sie ihre Kinder sogar in eine Privatschule schicken kann. Das ist nicht jedem gegönnt.

Weil Shashi um 16.00 Uhr Feierabend hat, müssen wir uns jeweils alleine um das Nachtessen kümmern. So gab es oft lustige Küchendienste, wo Corina und ich Savitha assistierten. Savitha rollte die Chappathis aus und wir haben die Fladenbrote ausgebacken. Fürs Curry wurde Gemüse gerüstet und danach picknickten wir jeweils während dem abendlichen Powercut (um Strom zu sparen) bei Kerzenlicht auf der Dachterrasse, wo es immer vergnügt zu und her ging. Überhaupt genoss Corina die Terrasse und lag viel in der Hängematte, hatte immer ein spannendes Buch dabei und so blieb auch mir genug Zeit, mich um die Büroarbeiten zu kümmern. Savitha hat unserem Besuch die Hände mit Henna bemalt und sie in einen Sari gewickelt für eine Fotosession.

Zwei Tage vor dem landesweiten Streiktag fuhren wir anstatt bequem im Taxi mit dem Zug nach Varkala, was viel abenteuerlicher war. Wir besuchten unsere ehemalige Nachbarin und Freunde, logierten im „Thiruvambadi“ bei Rafeeq und freuten uns, Joe aus Luzern zu treffen. Am Abend gabs einen ausgezeichneten Fisch vom Tandoori-Ofen oben bei den Klippen. Unter dem Sternenhimmel mit Blick auf die beleuchteten Fischerboote, die nur als Pünktlein sichtbar waren, kam auch bei mir Ferienstimmung auf. Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Bus zurück – was noch viel aufregender war. Wir sassen vorne beim Fahrer, bei lauter Musik, ohrenbetäubendem Gehupe und die ganze Frontscheibe war verhangen mit kitschig bunten Götterbildchen, blinkenden Lichtergirlanden, es konnte nicht schrill genug sein und alles hüpfte lustig im Rhythmus der unebenen Strassen. Und das Ereignis kostete lediglich ein paar Rupies.

Das Kalari-Training, eine alte, indische Kampfsportart, beeindruckte ebenso und nach dem grandiosen Frühstücksbuffet im Muthoot-Hotel waren wir gewappnet für die Einkaufstour in der Stadt.

Corina war gespannt auf ihre erste Ayurveda-Massage und konnte sich dermassen für das Drum und Dran einer Kur begeistern, dass wir viel bei den Gästen drüben waren. Grad drei Geburtstagskinder liessen sich im Januar feiern. Eva und Dr. Gopika erblickten am selben Tag das Licht der Welt und am Ende der Kur durfte Ruth ihre Geburtstagstorte anschneiden. Immer wurde im Kreise der Familie, mit dem ganzen Personal und allen Gästen bei Tee und Kuchen gefeiert.

Die „Swathi Sangeethotsavam 2009“ im Kuthiramalika Palast fand wie jedes Jahr vom 6. – 12. Januar statt. Wir boten den Gästen einen grossartigen kulturellen Leckerbissen und erfreuten uns an den Darbietungen des Prinzen, der auf seiner Veena spielte. Die Konzerte, welche von der Königsfamilie gesponsert werden, sind immer etwas Besonderes wegen der prächtigen Athmosphäre im Palastgarten, wo die Bühne jeweils mit Öllämpchen beleuchtet wird. Wirklich sehr eindrücklich!

Bevor Corina abflog, besuchten wir noch zusammen das Waisenhaus von Christiane und Gérard. Nachdem sie das Heim für die 144 Mädchen in den letzten 15 Jahren aufgebaut haben, müssen sie sich nun leider davon trennen, da es Christiane gesundheitlich nicht gut geht. Sie haben alles einem katholischen Orden übergeben und arbeiten im Moment noch Hand in Hand mit den Nonnen, damit sie danach das Heim alleine weiterführen können. Im Moment ändert sich für die Mädchen nichts, ausser dass „Mummy, Daddy and Philippe“ ab März nicht mehr da sein werden. Wahrscheinlich wird es danach „indisch“ geführt, doch wichtig ist, dass alle Kinder bleiben, die Sponsoren kommen weiterhin für ihre Schützlinge auf und auch die Lehrerinnen, Betreuerinnen und das ganze Personal bleibt wie bis anhin dem Heim erhalten.

Und damit rückte der Abschied von Corina immer näher. Sie flog nach Bangkok und freute sich auf eine Thailandrundreise mit anschliessenden Badeferien mit ihrer Freundin. Es waren auch für mich zwei sehr schöne Wochen gewesen und ich habe die Gesellschaft von Corina sehr genossen. Ich habe sie einfach in meinen Alltag eingebunden, sie überall mitgenommen und sie war an allem interessiert und freute sich, an unserem Leben teilnehmen zu dürfen.

Im Januar machte uns Jimmy grosse Sorgen. Er büxte 3x aus und wir mussten ihn in der Umgebung suchen. Er ist sich nicht gewohnt, unser Grundstück zu verlassen und so hat er wohl eine ziemlich abenteuerliche Nacht verbracht, als er vom Hundehaus über die Mauer sprang und sich im Quartier umsehen wollte... Er war danach auch ziemlich eingeschüchtert und kam gerne wieder nach Hause. Trotzdem hielt ihn nichts davon ab, das Wellblechdach auf dem Hundehaus einzudrücken und nochmals zwei Fluchtversuche zu wagen. Und das ausgerechnet, als es schon dunkel war und wir keinen Strom hatten. So suchten wir ihn zusammen mit den Nachbarn bei Kerzenschein und Taschenlampen - nicht einfach bei einem schwarzen Hund! Shashis Mann hat sofort die Wände erhöht, doch auch das half nichts und er versuchte es noch einmal, drückte das Wellbelchdach auf und war plötzlich auf dem Dach. Es schepperte ohrenbetäubend laut, er fürchtete sich vor dem Lärm, den er selber verursachte und getraute sich nicht, herunterzuspringen. Wieder mit Hilfe der Nachbarn, hoben wir das Dach, damit er herunter rutschte. Er verletzte sich an den scharfen Kanten vom Wellblech und als Savitha das Blut auf den weissen Marmorstufen zu unserem Haus sah, fiel sie in einen Schockzustand. Nein, das auch noch!!! Es war schon nach 23.00 Uhr und ich musste sehen, dass sie mir nicht ohnmächtig wurde. Ich trug sie in mein Bett und beobachtete sie die ganze Nacht. Erst am nächsten Tag beruhigte sie sich langsam. Doch alles ging gut und es zeigte mir mal wieder, dass ich in Extremsituationen funktioniere, was einem ein gutes Gefühl gibt. Ich blieb völlig ruhig und hatte die Sache im Griff. Inzwischen haben wir das Hundehaus nochmals umgebaut, so dass es keine Lücken mehr gibt zwischen den Wänden und dem neuen Eternit-Platten-Dach. Jezt kann er definitiv nicht mehr abhauen - hoffen wir jedenfalls...

Kaum war Corina weg, musste ich mich zwischen all den Events um meine Ferienvorbereitungen kümmern. Es gab viel zu tun, damit im Geethanjali und zu Hause alles rund läuft, wenn ich am 4. Februar in die Schweiz fliege. Dazwischen gab es noch diverse Flughafentouren mit Nachtschichten, mit Abflügen und Ankünften am gleichen Tag, diversen Touren mit den Gästen, Einladungen zum Tee bei mir zu Hause und so flogen die Tage dermassen schnell vorbei, dass ich oft nicht wusste, welchen Wochentag wir hatten.

Am 23. Januar jährte sich der Todestag von Hans zum dritten Mal. Zu diesem Anlass hat Dr. Gopika eine spezielle Pooja in einem Tempel arrangiert, wo den Verstorbenen gedenkt wird und ich durfte in einem Pulk von 100 Männern und nur wenigen Frauen eine Pooja ausführen, wie wir das sonst am Totengedenktag an der Shankahmukham Beach einmal im Jahr tun. In zwei langen, schmalen Räumen platzierten sich je 100 Leute den Wänden entlang im Schneidersitz mit dem Rücken zur Wand. Vor sich ein Messingkännchen mit heiligem Wasser, zwei Bananenblättern, darauf Sandelholzpaste, Blumenblüten, Sesamsamen, Gräser, Ghee und gekochter Reis mit Bananenstücklein. Der Priester gab Anweisungen in Malayalam und sprach die Mantras vor. Dr. Gopika stand hinter mir und übersetzte und die beiden Herren links und rechts von mir, halfen auch bei der Ausführung. Dr. Gopika war auf alle Fälle zufrieden mit mir und ich wusste ja auch schon ein bisschen wie es läuft. So haben wir die verstorbenen Seelen „gefüttert“ und ich habe auf Anraten des Astrologen die Pooja nicht nur für Hans gemacht, nein, der kleine Reisballen galt meinem Grussmutti, damit auch ihre Seele in Frieden ruhen kann.

A propos Astrologe: Ein interessanter Besuch! Ich war schon vor zwei Jahren mit Dr. Gopika und Geetha bei ihm, wobei die Anfahrt sehr lang ist und Dr. Gopika musste zuerst eine Bewilligung einholen, damit er für mich überhaupt die Muscheln legt. Er wohnt in einem bescheidenen Haus und das Konsultationszimmer ist nur ein Kabhäuschen, wo ein kleiner Holztisch Platz hat, einen Stuhl für den Astrologen, daneben ein altes Büchergestell mit all seinen zerfledderten Büchern und Heften, ein altersschwacher Ventilator wirbelt den Staub im Raum herum und drei Stühle für Dr. Gopika, Geetha und mich. Damit war der Raum völlig ausgefüllt und es konnte niemand mehr rein oder raus, geschweige denn aneinander vorbei... Er machte eine Pooja, murmelte die Mantras vor sich hin, bevor er das Samtsäcklein mit den vielen Müschelchen leerte, sie mischte und nach einem genauen Schema vor sich hinlegte. Er hatte bereits meine Daten und aufgrund der „Häuser“ und Planetenkonstellationen „befragte“ er die Muscheln und beantwortete meine Fragen. Absolut spannend! Wenn alles so wird, wie er es vorausgesagt hat, steht mir wieder ein spannendes und tolles Jahr bevor. Dabei war das 2008 kaum zu toppen. Es war einfach das schönste Jahr seit langem und ich habe es in vollen Zügen genossen!!! Aber ich lasse mich gerne überraschen und bin gespannt auf alles, was da kommen mag...

Der School-Day in Savithas Schule fiel auf den Todestag von Hans. Savitha war seit Tagen hibbelig, da sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen Sari in der Öffentlichkeit tragen durfte. Sie hat im Reigen der Ehrendamen die Gäste empfangen und zu diesem besonderen Anlass durfte sie meinen Keralasari mit den Goldbordüren tragen. Nach der offiziellen Feier mit den vielen Ansprachen, kamen die Gäste vom Geethanjali, um sich die diversen Darbietungen (Tanz, Gesang und Theater) der Kinder anzusehen. Es war wie immer lustig, fröhlich und farbenfroh – und alles mit durchdringend lauter Musik untermalt! Aber da muss man halt durch.

Der School-Day war ein willkommener Anlass, dem Schulstress mal zu entkommen, da es für Savitha nun auf den Schlussspurt zugeht. Nach dem Elternmeeting stehen die Kinder jetzt unter extremem Druck und werden zu Hause wie unter einer Käseglocke gehalten. Es gibt nur noch das Thema Schule, Nachhilfe und lernen, lernen, lernen. Ich kann da nicht viel beitragen, doch Savitha weiss, worum es geht, sie bleibt am Ball und wir hoffen, dass alles gut geht. Mitte März beginnen die Prüfungen.

Father Joseph Pereira, der Pfarrer der St. Andrews Kirchgemeinde, war einer der Ehrengäste am School-Day. Ich traf ihn nach dem offiziellen Teil bei Kaffee und Kuchen im Lehrerzimmer und er sprach mich auf Deutsch an. Nur sehr langsam und nicht perfekt, aber er war sehr stolz, dass er sich die Sprache selber beigebracht hat und so freute er sich riesig, das Gelernte anzuwenden. Am folgenden Sonntag begleitete mich Savitha in seine Kirche und nach dem Gottesdienst empfing er mich in seinem Büro. Er ist sehr sympathisch, lacht viel, ist herzlich mit einer fröhlichen Ausstrahlung und zudem finde ich die Kirche viel heimeliger, weil kleiner, als die grosse Kirche in Puthenthope. So werde ich in Zukunft mit den Gästen lieber diese Kirche besuchen, wo man auch in richtigen Bänken sitzt.

Doch der Monat war noch nicht zu Ende und ich besuchte mit den Gästen ein Gazal-Konzert im Open-Air-Auditorium in Trivandrum, welches im Zusammenhang stand mit dem Foodfestival. Gazal sind alte Hindi-Liebeslieder aus der Mogulen-Zeit, die bei den Maharajas und Maharanis sehr beliebt waren. Geetha ist begeistert von den Texten, weil sie Hindi versteht, doch leider konnte sie wegen ihrer Erkältung nicht dabei sein. Doch auch für uns war der Abend unvergesslich und vor dem Konzert verköstigten wir uns an einem der diversen Essensstände der hiesigen Hotels, die Köstlichkeiten aus Kerala anboten. Mal was anderes.

Dr. Gopika hat am 27. Januar zum Andenken an Hans einen Vortrag in Savithas Schule organisiert, der für alle Schülerinnen und Schüler der 8. – 12. Klasse galt. Dr. Gireesh referierte über das Thema „effizientes Lernen“. Die Kinder gingen völlig mit und hingen an seinen Lippen. Es gab viel zu lachen und er gab ihnen gute Tipps für die bevorstehenden Prüfungen. Auch meinen kleinen „speach“ brachte ich gut über die Bühne und übergab die Awards dem besten Schüler und dem besten Lehrer der Jothy Nilayam School.

Gleich am nächsten Tag wurde ich zum Lunch und Meeting ins neue Goethe-Zentrum in Trivandrum eingeladen. Bei der offiziellen Einweihung war der Umbau noch nicht ganz fertig gewesen, doch jetzt erstrahlt das alte Keralahaus, welches mitten in der Stadt liegt, jedoch ruhig, etwas erhöht und im Grünen, in neuem Glanz. Ich habe neue Leute kennengelernt und es gab einen richtig vergnüglichen Nachmittag. Als Ehrengäste waren zwei berühmte Malayalam-Dichter eingeladen worden – O.N.V. Kurup und Sugatha Kumari, die ich bereits bei einer anderen Gelegenheit kennenlernte. Sie rezitierten Auszüge aus je zwei Gedichten im typischen Malayalam-Singsang und die wunderschönen lyrischen Texte waren extra für diesen Anlass ins Deutsche übersetzt worden. Wir waren vom poetischen Inhalt hingerissen.

Und jetzt heisst es: Koffer packen und ab in die Schweiz! Ich freue mich riesig darauf, meine Familie und Freunde zu sehen, den herrlichen Winter zu geniessen und natürlich muss ich mich auch um mein neues Visum kümmern. Die einen oder anderen sehe ich schon bald, doch um alle zu besuchen, fehlt wie immer die Zeit. Doch ihr werdet sicher verstehen, dass ich nebst all den Winteraktivitäten auch meine Eltern geniessen möchte und sie mich...

Somit wird es Ende Februar keinen Newsletter geben, dafür melde ich mich Ende März wieder.

Liebe Grüsse

Yvonne und Savitha