Yvonne Muller

30 November 2008

November 2008

Meine Agenda war im November randvoll, auch wenn es nicht sehr viele ausserordentliche Höhepunkte gab. Ich war mehr im Geethanjali als zu Hause, wurde für Shopping-Touren gebucht, habe mit Maria und Elke einen tollen Tagesausflug nach Poovar Island und Kovalam gemacht und empfing diverse Besuche zum Tee zu Hause, wo wir gemütliche Nachmittage auf der Terrasse verbrachten. Die Tage flogen nur so vorbei.

Ein ganz spezielles Treffen war sicher jenes mit Sandra aus der Schweiz. Über „sieben Ecken“ hat sie meine Adresse bekommen und wir pflegten bereits im Vorfeld ihrer Südindienreise einen netten e-mail Kontakt. Während sie Tamil Nadu bereiste – ganz alleine als Frau auf absolut untouristischen Wegen in öffentlichen Verkehrsmitteln, wohnte sie auch einmal bei einer indischen Familie. Zwar gab es ein Plumpsklo, doch sie suchte vergeblich nach einer Dusche und geschlafen wurde am Boden auf Reismatten mit der schnarchenden Oma neben sich. Doch sie war ja sooo lieb! Die Grossmutter verstand kein Wort Englisch, trotzdem mochten sich die beiden Frauen sehr. Typisch indische Gastfreundschaft. Sandra hat so viel erlebt und gesehen, war völlig fasziniert von Land und Leuten und hat sich schnell auf die indische Lebensweise eingestellt, wo Zeit keine Rolle spielt und wenn der Bus heute nicht kommt, kommt er vielleicht morgen. Wir trafen uns an der Kovalam Beach, wo sie noch ein paar ruhige Tage verbrachte, bevor es wieder nach Hause flog. Per Zufall kamen wir darauf, dass auch sie sehr eng mit der Lenzerheide verbunden ist, wo sie immer ihre Skiferien verbrachte und viele Freunde und Bekannte hat. Zudem ist sie im St. Galler Rheintal – in Altstätten – aufgewachsen, der Heimat meiner Eltern. Ich habe viele schöne Erinnerungen aus meiner Kindheit an Altstätten, da wir Kinder die Sommerferien immer bei unserem Grossmutti verbrachten und wo wir auch heute noch Verwandte haben. Die Welt ist wirklich klein und so schliesst sich immer wieder ein Kreis. Einfach unglaublich.

Nach dem „Salat-Essen“ von Savithas Geburtstag ging mein 47. Geburtstag absolut unspektakulär über die Bühne. Ich freute mich über all die lieben Glückwünsche per e-mail, Anrufe und SMS von Mitternacht bis Mitternacht, doch sonst verbrachte ich den Tag ruhig zu Hause. Dafür lud ich am Sonntag meine Schweizer-Freundin zu einem gediegenen Lunch ein ins Leela-Kempinski, wo wir uns immer wieder gerne treffen, schlemmen und uns herrlich austauschen können.

Am 10. November war ich zu einem privaten Konzert eingeladen. Die Amerikanerin Grace wohnt schon lange in Trivandrum und ich habe sie zweimal erlebt, als sie von Julian am Piano begleitet wurde, kannte sie jedoch nicht persönlich. Deshalb hat mich ihre Einladung doppelt gefreut. Sie lud an die 30 Leute ein in ihr Appartment mitten in der Stadt. Ich kannte nur den Prinzen und einen Amerikaner, den ich mal beim Lunch bei der Schwedin Ingrid vom „Casa Bianca“ getroffen hatte. Erstaunlich viele Inder waren anwesend und man kommt ja hier immer schnell ins Gespräch. Grace trug ein schwarzes, figurbetontes Trikot-Kleid und als Schmuck lediglich eine Perlenkette und einen elfenbeinfarbenen Armreifen. Kein Make-up, keine Schuhe und trotzdem wirkte alles sehr edel. Begleitet wurde sie von einer klassischen Gitarre und einem Keyboard. Grace hat eine klassische Gesangsausbildung und eine wunderbare Stimme. Sie sang herrliche Balladen in Englisch, Spanisch und Italienisch. Das letzte Lied trug sie bei Kerzenschein vor, danach war Powercut und wir unterhielten uns bei Kaffee und Kuchen. Ein richtig schöner Abend – mal in einem anderen Rahmen.

Und noch ein Geburtstag stand im November an. Kunjunni, der Sohn von Gopikas wurde 18. Zu diesem Anlass fuhren wir zuerst mit den Gästen in den Veli-Park zum Sunset mit anschliessendem Dinner in der Stadt. Dort trafen wir das Geburtstagskind, der vier College-Kollegen eingeladen hatte, die ich zum Teil schon von der Besichtigung seiner Hostel-Bude kannte und ein ehemaliger Studienfreund von Dr. Gopika war auch dabei mit seiner Familie. So waren wir eine richtig grosse Gesellschaft und es wurde ein gemütlicher Abend.

Nebst Maria und Elke hatten wir noch Jirka, ein Fotograf aus Berlin, im Geethanjali. Ich bat ihn deshalb um unser jährliches Weihnachtsfoto von Savitha und mir und er erfüllte uns diesen Wunsch gerne. Mit Savitha gabs ein zusätzliches Fotoshooting, was beiden grossen Spass bereitete. Jirka machte Savitha ein Kompliment, dass sie sich absolut professionell vor der Kamera bewege und er kann es schliesslich beurteilen. Vor seiner Linse posierten schon Claudia Schiffer und Naomi Campbell, Angela Merkel hat er auch immer wieder im Visier, wie auch andere Prominente, darunter Grössen wie Michael Jackson. Er hat schon diverse Shootings fürs GALA gemacht und andere grosse Zeitschriften. Das hat Savitha jedoch kaum imponiert, da sie keinen der Namen kannte. Sie staunte dann aber nicht schlecht, als ich ihr erklärte, dass Jirka-uncle so prominente Stars vor der Kamera hatte, die mit Aishwarya Rai und Shahrukh Khan zu vergleichen seien – die bekanntesten Bollywood-Filmgrössen Indiens. Da war sie stolz, dass er sich die Zeit genommen hatte für ihre Fotos und er hat auch gleich die offiziellen Passfotos für sie gemacht, die sie für die Schulabschlussprüfungen braucht.
Das neue Goethe-Zentrum machte in der letzten November-Woche mit verschiedenen Anlässen auf sich aufmerksam und da ich bereits im „Verein deutsche Sprache“ bin, wurde ich natürlich auch eingeladen. Am ersten Abend wurden Auszeichnungen verliehen an Inder, die in Deutschland studiert hatten und hier zu Ruhm und Ehren gekommen sind. Danach war ein Rock-Konzert geplant mit der deutschen Gruppe „Nulltarif“, die sich auf ihrer ersten Asien-Tournee befanden. Ich war eigentlich nur an der Verleihung interessiert, das Konzert wäre mir sicher auch trotz Ohrstöpseln zu laut gewesen. Ich hatte Jirka dabei, doch als es dermassen regnete, hat die „umtriebige und dynamische Reiseleitig“ (die Redewendung eines Gastes...) gleich einen „Plan B“ erstellt und so habe ich mich nur rasch gezeigt, mich um die Einladung gekümmert für die grosse Eröffnung in einer Woche im Kanakakkunnu Palast, wo dann das Wetter keine Rolle mehr spielt und danach gings zum Einkaufen für Jirka, um die geplante Shopping-Tour am nächsten Tag zu vermeiden und eine Kleinigkeit essen.


Gegen Ende Monat war wieder grosser Gästewechsel angesagt. Das hiess für mich, innerhalb von zwei Tagen drei Einsätze am Flughafen, wovon zwei Nachtschichten, da die meisten Gäste über die Golfstaaten (Doha oder Dubai) morgens zwischen 03.30 und 04.30 Uhr landen. Der Nachmittagsflug der Indian Airline aus Malé hatte wie meistens Verspätung und auch die Auskunft am Flughafen konnte keine korrekten Angaben machen, doch Michaela und ich fanden uns und danach war das Geethanjali wieder komplett. Ich mache diese Flughafentouren sehr gerne. Schliesslich habe ich mit allen meist schon einen regen e-mail Kontakt im Vorfeld und so ist es immer spannend, die Leute abzuholen.
Die Eröffnungszeremonie für das Goethe-Zentrum ging am 28. November über die Bühne. Ich hatte unseren Gast aus St. Gallen dabei und er war beeindruckt vom sehr gut erhaltenen Kanakakkunnu-Palast mitten in der Stadt, der in einem wunderschönen Park liegt, auf einem kleinen Hügel mit viel Grün ringsherum. Der Palast wird nur noch selten für Veranstaltungen freigegeben, doch offensichtlich war der Deutsche Generalkonsul aus Mumbai Grund genug, den Palast als festlicher Rahmen nutzen zu dürfen. Die Bauarbeiten vom neuen Goethe-Zentrum sind zwar abgeschlossen, doch das Gebäude kann erst in den nächsten Tagen bezogen werden. Im Publikum sassen viele bekannte Gesichter, die ich beim anschliessenden Kaffee mit Kuchen begrüsste. Doch die eigentliche Eröffnung war lediglich ein kurzer Akt von einer halben Stunde. Ausser dem deutschen Generalkonsul, dem Regional-Direktor Süd-Asien vom Goethe-Institut in New Delhi und zwei Indern aus dem Management des Instituts, zeigte sich niemand der geladenen Ehrengäste aus Trivandrum, die im Programm angekündigt waren. Alle glänzten durch Abwesenheit. Vom Governor of Kerala über den Bürgermeister von Trivandrum, bis zum Minister für Bildung und Kultur und weiterer Politprominenz. Ziemlich beschämend der angereisten ausländischen Delegation gegenüber finde ich. Auch gabs keine Erklärungen für die Absenzen. Na ja, so gingen die Reden wenigstens nicht zu lange, auf die Nationalhymne wurde verzichtet und nur die Öllampe angezündet. Das wars gewesen. Ich bin ja gespannt, ob sich das Zentrum nun genauso einsetzt für kulturelle Anlässe wie die Alliance Francaise, die wirklich sehr aktiv ist und auch die russische Kulturgemeinde organisiert ab und zu ein Highlight für die Leute in der Stadt. Im Mittelpunkt stehen natürlich die Deutschkurse, von speziellen Kinderkursen, über Erwachsenen-Bildung bis zu professionellen Kursen im IT-Bereich. Daneben sollen Filme gezeigt werden, Ausstellungen, Austausch-Programme, Meetings, es wird auch eine Bibliothek geben mit einer Kaffee-Ecke - man wünscht sich ein Ort der Begegnung. Lassen wir uns überraschen, was in Zukunft geboten wird...

So ging ein vollgepackter Monat zu Ende, auch wenn es nicht DIE grossen Höhepunkte gab. Und schon steht uns der Dezember bevor. Auch da werde ich sicher viel im Geethanjali drüben und mit den Gästen unterwegs sein. Ich erwarte nach Weihnachten Besuch aus der Schweiz und es ist auch sonst noch das eine oder andere angesagt...

Savitha und ich wünschen euch allen eine besinnliche Adventszeit und schicken liebe Grüsse ins winterliche Europa. Hoffentlich hats dann im Februar noch genug Schnee, wenn ich zum Skifahren komme!... Langsam bin ich dran, meinen Schweizer-Urlaub zu planen. Doch bis dahin erfreuen wir uns am herrlichen Wetter mit viel Sonne und Wärme und wenn es noch den einen oder anderen Regenguss geben sollte, nehmen wir ihn dankbar an. Ihr werdet wieder zum Jahresende von uns hören.
Yvonne & Savitha