August 2009
Dr. Gopika sah sich anlässlich dem „14th International Filmfestival 09“ diverse Filme an und zum Abschlussabend am 6. August fuhren wir zusammen mit Irene in die Stadt. „Crazy“, ein kanadischer Film war ziemlich düster. Die Liebe eines Vaters zu seinen fünf Söhnen und die Liebe einer der Söhne zu seinem Vater. Nach der Pause gabs einen Kurzfilm, dessen Story wir jedoch nicht checkten. Das Zückerli des Abends war der wunderschöne Oskar nominierte Film „Australia“ mit Nicole Kidman als Lady Sarah Ashley, der kurz nach dem 2. Weltkrieg spielte. Die Tränen flossen über und Irene und ich waren hell begeistert. Wieder einmal ein richtig schöner Film zum Heulen! Alle deutschen Filme wurden jeweils im kleinen open air Amphitheater vom Goethe Institut gezeigt. Da wäre ich auch gerne mal dabei gewesen, doch irgendwie war ich an den Abenden immer anderweitig engagiert.
Zwei Tage später nahm ich Irene zu einer speziellen Hochzeit mit nach Trivandrum. Die Schwester der Braut lernte ich vor einem Jahr im Geethanjali kennen, als sie kurte. Ihre Mutter ist aus Trivandrum, der Vater Liechtensteiner und die Familie wohnt in Vaduz. Später hatte ich keinen Kontakt mehr zu ihr, doch auf dem Flug von Zürich nach Trivandrum traf ich die ganze Familie in Doha. Obwohl ich die Schwester nicht mehr erkannte, kamen wir ins Gespräch und sie luden mich ein zur Hochzeit ihrer jüngsten Tochter Neema. Da war ich wirklich gespannt! Eine christliche indische Hochzeit mit einer indisch/liechtensteinischen Brautfamilie. Die Kirche war wohltuend schlicht und nicht mit Kitsch überladen, wie sonst üblich. So kamen die üppigen, aufwendigen und edlen Blumengestecke noch mehr zur Geltung. Neema trug einen traumhaften weissen Seidensari, reich bestickt mit Perlen und Pailletten und einem hübschen Schleier über der Hochsteckfrisur. Alle Frauen der Brautseite – von der Grossmutter, über die Mutter, ihre Schwestern und Cousinen trugen alle rosa Seidensaris mit Silberstickereien. Und auch die drei Blumenmädchen sahen wie rosa Tüllwolken aus in ihren hübschen Kleidchen, den weissen Federn in den Haaren und den federbesetzten Körbchen. Zuckersüss! In all dieser rosa Pracht ging die Familie des Bräutigams völlig unter. Der Bräutigam fühlte sich absolut nicht wohl in seinem dunklen Zwirn. Kunststück, hier wo kaum Anzüge getragen werden und die meist noch schlecht geschnitten sind und nicht gut sitzen. Die dünnen und schlacksigen Burschen sehen darin mehr aus wie Konfirmanden. Er wird nach der Hochzeit nach Liechtenstein zur Familie seiner Angetrauten ziehen. Während der Trauung waren 12 Priester anwesend, wobei sicher die Hälfte aus dem „Ländle“ eingeflogen wurde. Wir hatten uns vor der Trauung mit einem jungen, sehr sympathischen Priester unterhalten, der in Schaan als Gemeindepfarrer tätig ist.
Nach der feierlichen Zeremonie wurde das Mittagessen in einer grossen Halle direkt hinter der Kirche serviert. Festlich geschmückt an 8-er Tischen mit rot/weiss karrierten Tischtüchern und weissen Couchen mit roten Maschen über den Plastikstühlen. Für hiesige Verhältnisse absolut gediegen. Die Bühne war sehr üppig in weiss und rosa dekoriert, wo das gemeinsame Gebet gesprochen wurde, das Brautpaar die Hochzeitstorte anschnitt und auf einer geschnitzten Holzbank die Glückwünsche entgegen nahm. Irene und ich wurden an einem Ehrentisch in der Nähe von der Bühne platziert zu einer indischen Familie, die mit ihren drei Kindern im Alter von 13 – 18 Jahren in Zürich wohnt. Die Eltern sprachen mit Akzent hochdeutsch und die Kinder lupenreines züridütsch. Das war lustig! Sie sind alle in der Schweiz geboren und fühlen sich als Schweizer. Doch die Eltern möchten nach der Pensionierung zurück nach Trivandrum. So fehlte es uns nicht an Gesprächsstoff und wir hatten es sehr vergnüglich, so dass wir sitzen blieben, während die zweite Runde verköstigt wurde. Ein richtig fröhliche Hochzeit, wie ich sie schon lange nicht mehr erlebt habe.
Irene reiste kurz danach ab und ihre Nachfolgerin kam ins Geethanjali. Margret, eine geborene Deutsche mit Schweizer Pass, die in Ägypten lebt. Hans hat sie vor vielen Jahren in einem Resort kennengelernt, wo sie auch eine Ayurvedakur machte und wir blieben über all die Jahre in losem Kontakt.
Unser Erntedankfest stand bereits vor der Türe und da vor oder nach Onam gerne geheiratet wird, wurde ich zur Hindu-Hochzeit von Shashis Nichte eingeladen. Der Empfang fand in Ajithas Elternhaus statt und ich freute mich, dass Savitha mich begleitete. Sie drückt sich sonst immer. Alle Kameras und Videos richteten sich auf uns, als wir die Braut begrüssten. Sie sah hübsch aus in ihrem blauen Sari mit den Goldstickereien und trug eine super aufwendig geflochtene Frisur. Vier Stunden benötigten die beiden Coiffeusen, bis die Braut vorgeführt wurde. Verwandte, Nachbarn und alle ihre Freundinnen und Studienkolleginnen kamen vorbei, überbrachten Geschenke und wurden von der Braut mit je einer Limone beschenkt, wie es hier üblich ist. In einem Aussenzelt wurden alle Gäste verpflegt. Shashi bekam über die drei Tage frei und hat Tag und Nacht bei den Vorbereitungen geholfen.
Zur Trauung am nächsten Tag konnte Savitha mich nicht begleiten, da sie in die Schule musste. Ich wurde wie ein Familienmitglied behandelt und war schon lange nicht mehr so nah am Geschehen wie an diesem Tag. Drei Stunden vor der „Muhurtham“ fuhr ich mit Shashi ins Auditorium, wo die Braut bereits in einem Kämmerchen neben der Bühne von je zwei Kosmetikerinnen und Coiffeusen hergerichtet wurde für ihren grossen Auftritt. Make-up, Sari wickeln, Zopf künstlich verlängern und mit Jasmingirlanden verzieren und der ganze Hochzeitsschmuck muss repräsentieren und sitzen. Eine aufwendige Prozedur! Ich sass mit einer Tante in einer Ecke und fand es spannend, einfach dabei zu sein. Alle waren ganz aufgeregt und es musste noch dieses und jenes organisiert werden. Frauen wollten herein stürmen um die Braut zu besichtigen, die jedoch wieder hinaus gescheucht wurden und erst als Ajitha fertig war, wurden all die neugierigen Gratulantinnen eingelassen und die Videomänner und Fotografen hielten alles fest. Ich machte Platz, da es langsam eng wurde und man platzierte mich auf der Bühne in der „Ehrenloge“ – erste Reihe - zwischen allen Grossmüttern. Noch immer hiess es lange warten, doch langsam füllten sich die Reihen im riesigen Saal. Die Bühne war hübsch dekoriert und immer wieder setzten sich Mädchen zu mir, um meine weisse Haut zu streicheln oder mich einfach anzuschauen. Wir unterhielten uns in Malayalam und einige sprachen sogar ein paar Brocken Englisch. Noch vor der Trauung wurden die ersten 500 Gäste in der Mensa unten verköstigt und Shashi und ich waren auch dabei. Praktisch, weil man nach der Zeremonie gleich nach Hause kann und so wurde die Warterei etwas verkürzt.
Um 11.30 Uhr ging es endlich los. Laute Trommelwirbel und Flötentöne – so dass ich die Ohren stöpseln musste – begleiteten die Zeremonie. Ajitha holte sich nicht nur bei den Familienältesten den Segen, sondern auch bei mir. Wir bewarfen das Brautpaar mit Blumenblüten, als der Bräutigam die Hochzeitskette seiner Frau umhängte und die Schwester des Bräutigams hilft jeweils beim Verschluss und richtet die Frisur danach wieder. Die Braut sah in ihrem violetten bestickten Sari hübsch aus und der Bräutigam nach indischen Geschmack wohl auch gut aussehend.
Nach dem Fest fuhr die Braut mit ihrem Mann ins neue Daheim zu den Schwiegereltern, trug die traditionelle Öllampe über die Schwelle und schenkte ihrer Schwiegermutter einen ihrer Goldreifen, in der Hoffnung, sie wird in Zukunft gut von ihr behandelt...
Ich war zu dieser Zeit bereits zu Hause, legte mich eine Runde hin und schon hiess es wieder umziehen, den dritten Sari seit gestern abend, da ich völlig überraschend zum „kitchen looking“ eingeladen wurde, was ich noch nie erlebt habe. Das hat mich sehr gefreut, weil da wirklich nur die engste Verwandschaft dabei ist. Diese Zeremonie wurde früher eine Woche nach der Hochzeit arrangiert, um die Tochter im Haus des Ehemannes und der Schwiegereltern zu besuchen und sich zu vergewissern, dass sie gut behandelt wird. Dazu gehört sich, dass Geschenke gebracht werden. Um Kosten zu sparen, wird heute die Braut meist am gleichen Tag besucht. Das Vorzelt stand bereits vom Empfang am Vorabend, der auch beim Bräutigam zu Hause arrangiert wird. Die Feuerstelle war schon eingerichtet, die Köche waren da und so organisiert man lieber alles in einem Mal.
Um 17.00 Uhr fuhren wir in zwei Kleinbussen los in Richtung Stadt. Einer für die Frauen, der andere für die Männer. 20 Sitze wurden von knapp 50 Frauen und Kindern belegt – es war wirklich voll – und so huckelten und zuckelten wir los. Lautes Geschwätz und Gelächter durchzog den Bus und der Fahrer hupte sich fröhlich einen Weg durch den Verkehr und betätigte sich gleichzeitig als DJ. Aus den altersschwachen Lautsprecherboxen dröhnte Malayalam-Filmmusik. Immer, wenn die Beschallung der Frauen lauter wurde als die Musik, wurde die Musik noch etwas mehr aufgedreht. Schliesslich war der Bus samt Fahrer UND Musik gemietet worden! Auf halber Strecke hielten wir an, wo ein Kühlschrank im offenen Kofferraum eines klapprigen Ambassador-Taxis festgezurrt wurde, dazu noch ein Mixer auf die Hinterbank und ein riesiger Bananenstrunk bildeten unsere Geschenke für die Schwiegerfamilie, was im Vorfeld mit dem Brautpreis ausgehandelt worden war. Irgendwo in den Pampas – mitten in einer Bananenplantage hielten wir und die lerzten 100 Meter zum Haus ging es zu Fuss. Da es vorher geregnet hatte, tappten wir vorsichtig in unseren schönen Saris und den offenen Sanalen durch den Morast und achteten darauf, dass wir nicht ausrutschten. Immer hüpften die Kinder um mich herum, führten mich, wollten meine Tasche tragen oder mir sonst was zu liebe tun. Das Häuschen lag am Hang und wir fielen wie die Heuschrecken ein. Die Frauen platzierten sich in allen Räumen und süsses Pulvergetränk wurde serviert. Die Männer standen draussen in Gruppen. Kaum war alles fürs Essen gerichtet, wurde in Schichten gegessen. Fried-rice, Chicken, Gemüse, dazu Papadam und Kräuterwasser und zum Dessert gabs Halwa und Bananen. Während wir warteten, bis alle anderen mit dem Essen fertig waren, zeigte mir Ajitha das Haus, welches noch frisch gestrichen wurde in einem grässlichen, grellen orange, apfelgrün und weiss. Ist jetzt gerade fashion! Und ganz stolz zeigte sie mir die „Honeymoon-Suite“. Hier ist ihr Ehemann gross geworden, doch ausser einem alten, schmalen Doppelbett, einem Einbauschrank, Tisch mit PC und Stuhl war kein Platz, um sich zu bewegen. Und sie hatten nicht mal neue Bettwäsche – doch hoffentlich war sie wenigstens frisch... Nicht die grosse Romantik für die Hochzeitsnacht. Aber hoffentlich werden sie auch so glücklich. Er muss in drei Wochen zurück in den Golf zur Arbeit und bis dahin wünscht sich Ajitha, schwanger zu sein. Die Männer kommen danach oft erst nach einem oder gar zwei Jahren nach Hause und wenn sie zurückkommen, fragen die Kinder am Flughafen, wer der Onkel sei... Kaum hatten die letzten Gäste die Hände nach dem Essen gewaschen, den Mund gespült und in den Garten gespuckt, verabschiedeten wir uns und fuhren wieder lachend, schwatzend und mit Musik beschallt nach Hause. Hei, das war ein aufregender Tag gewesen!
Am 18. August lud ich Gopikas und Margret ins Taj Residency ein, um mein Jubiläum zu feiern – 13 Jahre Kerala! Savitha war leider mitten in den Onam-Prüfungen, so dass sie wegen der Tuition und all den Vorbereitungen zu Hause bleiben wollte. Unglaublich wie die Zeit vergeht und noch immer gefällt es mir hier prima und ich kann mir kein besseres Leben vorstellen! Die Alliance Francaise hatte ein Fusion Konzert (Flöte und Gitarre) organisiert und es war wirklich ein Ohrenschmaus. Trotz den warmen Tönen, kamen wir am Schluss als Eisklötzchen aus dem grossen Ballsaal. Warum müssen 5-Sterne Hotels immer so kalt sein? Danach hatte ich einen Tisch im Restaurant reserviert und ich lud auch Andreas vom Thapovan ein, den wir vor dem Konzert schon in der Lobby trafen. Für Gopikas war es toll, mal ein neues Restaurant kennenzulernen, wo sie sonst alleine nicht hingehen würden. Und mich hats gefreut, dass wir mein Jubiläum zusammen feiern konnten, da der Tag in den letzten drei Jahren jeweils unbemerkt an mir vorüber ging.
Ich packte meine Reisetasche und quartierte mich im Geethanjali ein für meine jährliche Ayurvedakur. Die Tage zusammen mit Margret waren herrlich. Wir meditierten am Morgen mit unserem Yogalehrer, ich absolvierte 2 x im Tag zusätzlich mein eigenes Yoga-Progamm, wir liessen uns im Madom behandeln, tranken bittere Medizin, wurden vollvegetarisch verpflegt, genossen die Ruhe auf dem Balkon oder auf der Dachterrasse und so hatten wir es richtig gemütlich. Margret ist ausgebildete Märchenerzählerin und am Abend im Schein der Öllampe hat sie mir draussen vor dem Gästehaus das eine oder andere Märchen erzählt. Wunderschön stimmungsvoll! Obwohl ich ja „gsund und zwäg“ bin, geniesse ich diese Auszeit jeweils und es tut einfach gut, abschalten zu können, sich verwöhnen lassen und Zeit für sich zu haben.
Kaum war ich wieder zu Hause, stand am 1. September Onam vor der Türe. Savitha hatte ihre Prüfungen hinter sich gebracht und fuhr zu ihrer Schwester ins Heimatdorf über die Festtage, Shashi bekam frei und feierte mit ihrer Familie und ich packte wieder meine Reisetasche und fuhr für vier Tage mit Gopikas und den beiden Kindern nach Kovalam in ein Resort. Aber davon mehr im nächsten Newsletter.
Im Juli hofften wir noch auf eine neue Strasse, so quasi als Onam-Geschenk der Gemeinde. Leider wurde nichts darauf, was zu erwarten war. Es wurde genau während den heftigsten Regengüssen etwas ausplaniert und Material herangekarrt zwar etwas ausplaniert und Material herangekarrt - gerade während den heftigsten Regengüssen - doch vor Onam stellt man lieber keine Arbeiter ein, da man ihnen sonst einen Onam-Bonus aushändigen muss und zudem wird das Geld gerne vom Auftragnehmer (die Arbeiten werden vom Staat an private Firmen vergeben) selber für Onam verprasst... Und jetzt kommt dann aus, ob überhaupt noch etwas übrig ist für unsere Strasse... Thats India!
Nach dem sommerlichen und sonnigen August in Europa wird nun sicher bald der Herbst Einzug halten und wir hoffen nochmals auf vermehrten Regen, da uns der Monsun bis jetzt noch nicht gross mit Regen verwöhnt hat.
Liebe Grüsse
Yvonne und Savitha
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