Yvonne Muller

30 November 2008

November 2008

Meine Agenda war im November randvoll, auch wenn es nicht sehr viele ausserordentliche Höhepunkte gab. Ich war mehr im Geethanjali als zu Hause, wurde für Shopping-Touren gebucht, habe mit Maria und Elke einen tollen Tagesausflug nach Poovar Island und Kovalam gemacht und empfing diverse Besuche zum Tee zu Hause, wo wir gemütliche Nachmittage auf der Terrasse verbrachten. Die Tage flogen nur so vorbei.

Ein ganz spezielles Treffen war sicher jenes mit Sandra aus der Schweiz. Über „sieben Ecken“ hat sie meine Adresse bekommen und wir pflegten bereits im Vorfeld ihrer Südindienreise einen netten e-mail Kontakt. Während sie Tamil Nadu bereiste – ganz alleine als Frau auf absolut untouristischen Wegen in öffentlichen Verkehrsmitteln, wohnte sie auch einmal bei einer indischen Familie. Zwar gab es ein Plumpsklo, doch sie suchte vergeblich nach einer Dusche und geschlafen wurde am Boden auf Reismatten mit der schnarchenden Oma neben sich. Doch sie war ja sooo lieb! Die Grossmutter verstand kein Wort Englisch, trotzdem mochten sich die beiden Frauen sehr. Typisch indische Gastfreundschaft. Sandra hat so viel erlebt und gesehen, war völlig fasziniert von Land und Leuten und hat sich schnell auf die indische Lebensweise eingestellt, wo Zeit keine Rolle spielt und wenn der Bus heute nicht kommt, kommt er vielleicht morgen. Wir trafen uns an der Kovalam Beach, wo sie noch ein paar ruhige Tage verbrachte, bevor es wieder nach Hause flog. Per Zufall kamen wir darauf, dass auch sie sehr eng mit der Lenzerheide verbunden ist, wo sie immer ihre Skiferien verbrachte und viele Freunde und Bekannte hat. Zudem ist sie im St. Galler Rheintal – in Altstätten – aufgewachsen, der Heimat meiner Eltern. Ich habe viele schöne Erinnerungen aus meiner Kindheit an Altstätten, da wir Kinder die Sommerferien immer bei unserem Grossmutti verbrachten und wo wir auch heute noch Verwandte haben. Die Welt ist wirklich klein und so schliesst sich immer wieder ein Kreis. Einfach unglaublich.

Nach dem „Salat-Essen“ von Savithas Geburtstag ging mein 47. Geburtstag absolut unspektakulär über die Bühne. Ich freute mich über all die lieben Glückwünsche per e-mail, Anrufe und SMS von Mitternacht bis Mitternacht, doch sonst verbrachte ich den Tag ruhig zu Hause. Dafür lud ich am Sonntag meine Schweizer-Freundin zu einem gediegenen Lunch ein ins Leela-Kempinski, wo wir uns immer wieder gerne treffen, schlemmen und uns herrlich austauschen können.

Am 10. November war ich zu einem privaten Konzert eingeladen. Die Amerikanerin Grace wohnt schon lange in Trivandrum und ich habe sie zweimal erlebt, als sie von Julian am Piano begleitet wurde, kannte sie jedoch nicht persönlich. Deshalb hat mich ihre Einladung doppelt gefreut. Sie lud an die 30 Leute ein in ihr Appartment mitten in der Stadt. Ich kannte nur den Prinzen und einen Amerikaner, den ich mal beim Lunch bei der Schwedin Ingrid vom „Casa Bianca“ getroffen hatte. Erstaunlich viele Inder waren anwesend und man kommt ja hier immer schnell ins Gespräch. Grace trug ein schwarzes, figurbetontes Trikot-Kleid und als Schmuck lediglich eine Perlenkette und einen elfenbeinfarbenen Armreifen. Kein Make-up, keine Schuhe und trotzdem wirkte alles sehr edel. Begleitet wurde sie von einer klassischen Gitarre und einem Keyboard. Grace hat eine klassische Gesangsausbildung und eine wunderbare Stimme. Sie sang herrliche Balladen in Englisch, Spanisch und Italienisch. Das letzte Lied trug sie bei Kerzenschein vor, danach war Powercut und wir unterhielten uns bei Kaffee und Kuchen. Ein richtig schöner Abend – mal in einem anderen Rahmen.

Und noch ein Geburtstag stand im November an. Kunjunni, der Sohn von Gopikas wurde 18. Zu diesem Anlass fuhren wir zuerst mit den Gästen in den Veli-Park zum Sunset mit anschliessendem Dinner in der Stadt. Dort trafen wir das Geburtstagskind, der vier College-Kollegen eingeladen hatte, die ich zum Teil schon von der Besichtigung seiner Hostel-Bude kannte und ein ehemaliger Studienfreund von Dr. Gopika war auch dabei mit seiner Familie. So waren wir eine richtig grosse Gesellschaft und es wurde ein gemütlicher Abend.

Nebst Maria und Elke hatten wir noch Jirka, ein Fotograf aus Berlin, im Geethanjali. Ich bat ihn deshalb um unser jährliches Weihnachtsfoto von Savitha und mir und er erfüllte uns diesen Wunsch gerne. Mit Savitha gabs ein zusätzliches Fotoshooting, was beiden grossen Spass bereitete. Jirka machte Savitha ein Kompliment, dass sie sich absolut professionell vor der Kamera bewege und er kann es schliesslich beurteilen. Vor seiner Linse posierten schon Claudia Schiffer und Naomi Campbell, Angela Merkel hat er auch immer wieder im Visier, wie auch andere Prominente, darunter Grössen wie Michael Jackson. Er hat schon diverse Shootings fürs GALA gemacht und andere grosse Zeitschriften. Das hat Savitha jedoch kaum imponiert, da sie keinen der Namen kannte. Sie staunte dann aber nicht schlecht, als ich ihr erklärte, dass Jirka-uncle so prominente Stars vor der Kamera hatte, die mit Aishwarya Rai und Shahrukh Khan zu vergleichen seien – die bekanntesten Bollywood-Filmgrössen Indiens. Da war sie stolz, dass er sich die Zeit genommen hatte für ihre Fotos und er hat auch gleich die offiziellen Passfotos für sie gemacht, die sie für die Schulabschlussprüfungen braucht.
Das neue Goethe-Zentrum machte in der letzten November-Woche mit verschiedenen Anlässen auf sich aufmerksam und da ich bereits im „Verein deutsche Sprache“ bin, wurde ich natürlich auch eingeladen. Am ersten Abend wurden Auszeichnungen verliehen an Inder, die in Deutschland studiert hatten und hier zu Ruhm und Ehren gekommen sind. Danach war ein Rock-Konzert geplant mit der deutschen Gruppe „Nulltarif“, die sich auf ihrer ersten Asien-Tournee befanden. Ich war eigentlich nur an der Verleihung interessiert, das Konzert wäre mir sicher auch trotz Ohrstöpseln zu laut gewesen. Ich hatte Jirka dabei, doch als es dermassen regnete, hat die „umtriebige und dynamische Reiseleitig“ (die Redewendung eines Gastes...) gleich einen „Plan B“ erstellt und so habe ich mich nur rasch gezeigt, mich um die Einladung gekümmert für die grosse Eröffnung in einer Woche im Kanakakkunnu Palast, wo dann das Wetter keine Rolle mehr spielt und danach gings zum Einkaufen für Jirka, um die geplante Shopping-Tour am nächsten Tag zu vermeiden und eine Kleinigkeit essen.


Gegen Ende Monat war wieder grosser Gästewechsel angesagt. Das hiess für mich, innerhalb von zwei Tagen drei Einsätze am Flughafen, wovon zwei Nachtschichten, da die meisten Gäste über die Golfstaaten (Doha oder Dubai) morgens zwischen 03.30 und 04.30 Uhr landen. Der Nachmittagsflug der Indian Airline aus Malé hatte wie meistens Verspätung und auch die Auskunft am Flughafen konnte keine korrekten Angaben machen, doch Michaela und ich fanden uns und danach war das Geethanjali wieder komplett. Ich mache diese Flughafentouren sehr gerne. Schliesslich habe ich mit allen meist schon einen regen e-mail Kontakt im Vorfeld und so ist es immer spannend, die Leute abzuholen.
Die Eröffnungszeremonie für das Goethe-Zentrum ging am 28. November über die Bühne. Ich hatte unseren Gast aus St. Gallen dabei und er war beeindruckt vom sehr gut erhaltenen Kanakakkunnu-Palast mitten in der Stadt, der in einem wunderschönen Park liegt, auf einem kleinen Hügel mit viel Grün ringsherum. Der Palast wird nur noch selten für Veranstaltungen freigegeben, doch offensichtlich war der Deutsche Generalkonsul aus Mumbai Grund genug, den Palast als festlicher Rahmen nutzen zu dürfen. Die Bauarbeiten vom neuen Goethe-Zentrum sind zwar abgeschlossen, doch das Gebäude kann erst in den nächsten Tagen bezogen werden. Im Publikum sassen viele bekannte Gesichter, die ich beim anschliessenden Kaffee mit Kuchen begrüsste. Doch die eigentliche Eröffnung war lediglich ein kurzer Akt von einer halben Stunde. Ausser dem deutschen Generalkonsul, dem Regional-Direktor Süd-Asien vom Goethe-Institut in New Delhi und zwei Indern aus dem Management des Instituts, zeigte sich niemand der geladenen Ehrengäste aus Trivandrum, die im Programm angekündigt waren. Alle glänzten durch Abwesenheit. Vom Governor of Kerala über den Bürgermeister von Trivandrum, bis zum Minister für Bildung und Kultur und weiterer Politprominenz. Ziemlich beschämend der angereisten ausländischen Delegation gegenüber finde ich. Auch gabs keine Erklärungen für die Absenzen. Na ja, so gingen die Reden wenigstens nicht zu lange, auf die Nationalhymne wurde verzichtet und nur die Öllampe angezündet. Das wars gewesen. Ich bin ja gespannt, ob sich das Zentrum nun genauso einsetzt für kulturelle Anlässe wie die Alliance Francaise, die wirklich sehr aktiv ist und auch die russische Kulturgemeinde organisiert ab und zu ein Highlight für die Leute in der Stadt. Im Mittelpunkt stehen natürlich die Deutschkurse, von speziellen Kinderkursen, über Erwachsenen-Bildung bis zu professionellen Kursen im IT-Bereich. Daneben sollen Filme gezeigt werden, Ausstellungen, Austausch-Programme, Meetings, es wird auch eine Bibliothek geben mit einer Kaffee-Ecke - man wünscht sich ein Ort der Begegnung. Lassen wir uns überraschen, was in Zukunft geboten wird...

So ging ein vollgepackter Monat zu Ende, auch wenn es nicht DIE grossen Höhepunkte gab. Und schon steht uns der Dezember bevor. Auch da werde ich sicher viel im Geethanjali drüben und mit den Gästen unterwegs sein. Ich erwarte nach Weihnachten Besuch aus der Schweiz und es ist auch sonst noch das eine oder andere angesagt...

Savitha und ich wünschen euch allen eine besinnliche Adventszeit und schicken liebe Grüsse ins winterliche Europa. Hoffentlich hats dann im Februar noch genug Schnee, wenn ich zum Skifahren komme!... Langsam bin ich dran, meinen Schweizer-Urlaub zu planen. Doch bis dahin erfreuen wir uns am herrlichen Wetter mit viel Sonne und Wärme und wenn es noch den einen oder anderen Regenguss geben sollte, nehmen wir ihn dankbar an. Ihr werdet wieder zum Jahresende von uns hören.
Yvonne & Savitha

01 November 2008

Oktober 2008

Der neue Monat begann gleich mit Id-ul-Fitr – dem Ende des Ramadans. Offensichtlich hatte sich unsere Nachbarin Salina mit ihrer Mutter gestritten, wer Savitha, Shashi und mich zum traditionellen Biryani-Essen einladen darf. Sie einigten sich, dass wir dieses Jahr die Mutter beehren, da wir das letzte Mal bei Salina und ihrer Familie drüben waren. Im letzten Jahr hatte ich mich auf ein grosses Familientreffen gefreut mit allen Verwandten und Freunden, wie es hier üblich ist und dachte, wir würden einfach ein Teil davon sein. Doch nein, als Ehrengäste wurden nur Savitha und ich damals eingeladen und so wars auch dieses Mal. Als Willkommensdrink gabs ein in gekühltes Wasser aufgelöstes süsses Pulver. Wir wurden sofort an den gedeckten Tisch gebeten und verköstigt. Die Grossmutter hatte mit ihrer Schwiegertochter alles selbst gekocht und bediente uns. Da niemand Englisch sprach, bewunderten wir nach dem Essen die Fotos von der Geburtagsparty des 1-jährigen Enkels in Riadh. Die Rikscha kam und das wars gewesen. Innerhalb einer Stunde waren wir schon wieder zu Hause. Doch die Familie hatte sich sehr gefreut und alle schienen glücklich zu sein.

Gandhis Geburtstag am folgenden Tag bescherte Savitha nochmals einen schulfreien Tag und ich wurde mit Gopikas zu einem Dinner von Claudia ins „Thapovan“ eingeladen, die schon dreimal bei uns kurte und im Moment dort ihren Indienaufenthalt geniesst. So kamen wir kaum mehr in einen normalen Alltagsrhythmus, denn schon war wieder grosses Programm angesagt. Der Sonntag, 5. Oktober war ein Tag voller Gegensätze. Vom Abschied des Guruji aus Mumbai über die Taufe von Valsalas Baby bis zur russischen Tanzshow am Abend! Und sogar kulinarisch gab es von den heiligen Nüssli von Guruji über das Bananenblattessen bis zum 5-Sterne-Hotel-Tenderloin-Steak die ganze Palette.

Der Guruji aus Mumbai war zum zweiten Mal zur Kur und wir feierten zusammen mit den Gästen seinen Abschied. Dr. Gopika hielt eine sehr ergreifende Rede für Verwandte, Freunde und alle Angestellten und Guruji sprach wie immer sehr fesselnd, pointiert und man hängt richtig an seinen Lippen. Doch als er wieder einmal mehr „the light of the Geethanjali“ erwähnte und damit Hans meinte, war es um mich geschehen. Das sind immer so Momente, die mich extrem berühren und ich hatte bereits mit den Tränen zu kämpfen. Oh, warum muss ich so nah am Wasser gebaut sein?! Dabei sollte ich grad anschliessend im Namen vom Geethanjali dem Guruji und seinen Betreuern danken und die Erinnerungsgeschenke überreichen. Ich brachte noch das übliche „Om Sai Ram“ heraus und begann den Satz mit „My dear Guruji and dear Reciples. In the name of the Geethanjali-Family...“ und schon versagte mir die Stimme, ich brach in Tränen aus und warf mich ihm vor die Füsse – wie ich das sonst noch nie getan habe. Als ich mich wieder einigermassen im Griff hatte, konnte ich wenigstens noch die Geschenke übergeben. Der Guruji sieht Hans extrem ähnlich. Die beiden sind im gleichen Alter, die Brille, den weissen Bart und Hans trug auf dem Totenbett auch ein Kopftuch, so dass ich immer Hans vor mir sehe, wenn ich den Guruji anschaue. Das ist jeweils schwer zu ertragen. Gopikas sind überzeugt, dass Hans uns den Guruji schickte, der einen guten Einfluss auf das Geethanjali hat und seit er uns „beschützt“ wurde es bedeutend ruhiger – wir haben wieder ein gutes Team beieinander und auch „hinter den Kulissen“ haben sich inzwischen einige Probleme gelöst. Er tut uns wirklich gut! Zum Abschluss ging ich mit Guruji und Gopikas noch zur Verbrennungsstätte von Hans im Herbalgarden hinüber, wo ein Blumenstrauss niedergelegt wurde, Guruji hat eine Kerze angezündet und eine kleine Pooja für Hans gemacht. Die beiden hätten sich bestimmt gut verstanden und einander viel zu erzählen gehabt...

Ich war schon ziemlich spät dran, als ich Savitha und Shashi zu Hause abholte und in fröhlicher Runde fuhren wir zu Valsala nach Hause. Sie wohnt nicht mehr an der Südspitze unten in Nagercoil, sondern am Südrand von Trivandrum. Ein mehr als abenteuerlicher Trampelpfad führt zum Häuschen und ich fragte mich, wie sie es bei Regen erreichen. Und wie wurden die wenigen Möbel gezügelt? Aber besser, man fragt sich das erst gar nicht und konzentriert sich lieber Schritt für Schritt auf den Weg, um nicht ins tiefe, trockene Bachbett abzurutschen. Die Taufe hatten wir leider verpasst, doch das tat der Freude keinen Abbruch als wir von der ganzen Sippschaft rege schnatternd in Malayalam begrüsst wurde. Wir bestaunten Angel, das Baby von Valsala und auch ihre jüngere Schwester Bindu zeigte uns ihr zweites Töchterchen, die nur 21 Tage älter ist als Angel. Die beiden Babies wurden geknuddelt, geschüttelt, gekniffen, geknutscht und von einem Arm in den anderen gereicht. Uns wäre das viel zu viel geworden, doch sie kennen nichts anderes und lassen das über sich ergehen. Sofort wurden Bananenblätter ausgelegt und Chickencurry mit Friedrice und Gemüse als Festessen serviert. Valsala geht es prima und sie hat einen lieben und gut sorgenden Ehemann bekommen. Das kleine Glück scheint wirklich perfekt zu sein und da im Nachbarhaus der Pfarrer mit seiner Frau wohnt, die zur gleichen Religionsgemeinschaft gehören, hat Valsala die nötige Hilfe, da sich niemand von ihrer Familie um sie kümmert. Aber das ist wieder eine andere Story... Es ging lustig zu und her und wie immer sehr laut, während die letzten News und Klatsch ausgetauscht wurde. Wir nahmen Bindu mit ihrer Familie in die Stadt bis zum grossen Busbahnhof und Savitha lud alle noch ins Indian Coffee House ein zu Tee und Gebäck, bevor sie in diverse Richtungen mit dem Bus nach Hause fuhren. Ich blieb derweil in der Stadt und erholte mich von dem ganzen Trubel im Restaurant vom Taj Residency Hotel bei einem vorgezogenen Nachtessen bis zum Abendprogramm.

Die Warterei lohnte sich! Die russische Kulturgemeinde engagierte eine Tanzgruppe aus Moskau, die ein aussergewöhnliches Showprogramm bot! Dabei hatte ich eine Volkstanzgruppe erwartet, da in der Vorschau im „The Hindu“ ein Bild mit Tänzerinnen in traditionellen Trachten abgebildet war. Was jedoch geboten wurde, war eine absolut professionelle Show mit prächtigen Kostümen, zum Teil extrem sexy, mitreissender Musik und einer umwerfenden Choreografie! Acht Tänzerinnen und zwei Tänzer. Alle mit Figuren, dass Frau vor Neid erblassen könnte, mit Beinen bis zum Himmel, dass sie im Lido in Paris auftreten könnten! Eine absolut hinreissende Show mit russischer Musik, ob als Tango, Walzer oder Samba verkleidet und meist modern interpretiert. Eine solch „heisse“ Show hat Trivandrum wohl noch nie erlebt! Das Publikum war begeistert, obwohl der Applaus wie immer sehr zurückhaltend ausfiel – ist halt nicht ihre Art, die Freude gegen aussen zu zeigen. Ein Augenschmaus - und das nicht nur für die Männer!

Der Monat war wirklich vollgepackt mit Einladungen, Feiertagen und speziellen Zeremonien und schon wieder stand ein aussergewöhnliches Ereignis auf dem Programm. Die Hari-Sree-Pooja für den Sohn von unserer ehemaligen Masseuse Sreeja. Für den 3-jährigen war der Zeitpunkt der „Schreib-Zeremonie“ gekommen. Die Hindus gehen mit ihren Kindern jeweils in den Tempel, wo der Priester die Kleinen in die Welt der Lesens, Schreibens und Redens einführt. Doch Sreeja wünschte sich die Zeremonie von Dr. Gopika im Madom, was natürlich viel persönlicher war. Wir versammelten uns vor der Gebetsecke, wo das Deepam angezündet wurde und Dr. Gopika nahm den Kleinen auf den Schoss, hielt ihm den rechten Zeigefinger und „schrieb“ mit ihm das heilige Om-Zeichen auf eine flache Schale mit Rohreis und eine Goldmünze wurde in Honig getaucht und damit „schrieb“ Dr. Gopika dem Jungen einen Satz in Sanskrit auf die Zunge. Von jetzt an wird er lesen und schreiben lernen und soll richtig sprechen. Finde ich eine schöne Sache. Ein Meilenstein im Leben eines Hindus.

Damit begann auch für das Geethanjali die neue Wintersaison 08/09. Alle drei Zimmer sind jetzt bis Mitte 09 ausgebucht – was es noch nie gegeben hat und ich habe kein einziges Plätzchen mehr frei, dafür schon eine lange Warteliste von Gästen, die unbedingt noch kommen möchten. Wir freuen uns natürlich über den Erfolg und sind froh, dass wir bei den auswärtigen Gästen und den Einheimischen so grossen Anklang finden. Davor wurde das Geethanjali noch frisch gestrichen, einige zusätzliche Renovationsarbeiten gemacht und jetzt erstrahlt alles wieder in frischem Glanz.

Mitte Monat begann auch für Kunjunni, dem Sohn von Dr. Gopika, ein neuer Lebensabschnitt. Er ist jetzt im Ayurveda-College und wird dort 6 Jahre studieren, um sich als Ayurveda-Arzt auszubilden, so wie es sein Vater getan hat. Ich durfte ihn sogar an einem Sonntag mit Geetha ins Hostel begleiten und ich war natürlich gespannt auf die Studentenunterkünfte. Zu dritt teilen sie sich ein Zimmer, wo das Mobiliar aus lediglich 3 Metallbetten, 3 Tischchen, 3 Stühlen und 3 Schränkchen mit je 3 Tablaren besteht. Eine Neonröhre erhellt den Raum und zwei Ventilatoren sorgen für etwas Luft. An einer durch das ganze Zimmer gespannten Schnur hängen Kleider zum Lüften und Trocknen. Nicht der grosse Luxus, aber die drei kennen sich wenigstens und es scheint eine gut harmonierende Gruppe zu sein. Kunjunni ist jedenfalls glücklich und er wird so viel wie möglich übers Wochenende nach Hause kommen. Dr. Gopika und Geetha sind ganz traurig, dass sie nun ohne ihren Sohn zu Hause auskommen müssen und tun sich richtig schwer, da er sich viel um die organisatorischen Belange der Gäste gekümmert hatte – Handy, Internet, e-mail und was sonst an technischen und anderen Problemen anstand - Kunjunni fand immer eine Lösung. Auch mir wird er fehlen, da er oft der erste Ansprechpartner war, wenn ein unerwartetes Problem auftauchte. Doch wir werden uns arrangieren.

Auch diesen Monat standen nochmals zwei Hochzeiten an. Beide Einladungen kamen von Nachbarn aus meinem Quartier. Die erste Hochzeit fand im neuen Auditorium gleich „um die Ecke“ statt, welches auch als Kino benützt wird. Shashi begleitete mich und wir setzten uns mitten in den Frauenpulk. Ich hatte noch kaum meinen Sari frisch „büschelet“, als eine Frau auf mich zukam, die mich vorher bei der Bühne vorne gesehen hatte, als wir die Braut begrüssten und wollte sich unbedingt neben mich setzen um mir Gesellschaft zu leisten. Sie hatte Erbarmen mit mir, da sie meinte, ich sei alleine gekommen und ich könne mich mit niemandem unterhalten. So hat sie mich unter ihre Fittiche genommen und war sichtlich stolz, mich ihrem ganzen Freundeskreis vorzustellen. Lieb, wie sich hier völlig fremde Menschen um einen kümmern.

Zur zweiten Einladung eine Woche später, begleitete uns Savitha und wir fuhren nach Varkala zur Trauung. Da wir nur fünf Minuten vor der Zeremonie eintrafen, war das ganze Auditorium schon völlig überfüllt. Die Bräutigamseite empfing uns ich durfte zwischen den Familienältesten auf der Bühne Platz nehmen und während der eigentlichen Traunung stand ich sogar zwischen der Mutter und der Schwester des Bräutigams, gleich hinter dem Brautpaar. Welche Ehre! Alle kümmerten sich rührend um mich und wollten sich mit mir unterhalten, so dass ich ständig von einer Schar Kindern und Frauen umgeben war. Wer sich nicht unterhalten konnte, der lächelte nett oder Kinder starrten ungeniert. Zwei typische kleine Dorfhochzeiten, doch den Leuten bedeutete es sehr viel, dass ich anwesend war und weil es sich um Nachbarn handelte, die ich jedoch kaum oder gar nicht kenne, ist es wichtig, dass ich jeweils alle berücksichtige, wenn ich eingeladen werde.

Mit dem 1. des neuen Malayalammonats, den wir jeweils „Onnandi“ nennen, begann pünktlich der ersehnte Nordmonsun und brachte endlich Regen und damit auch wieder die gewohnten länger anhaltenden Stromausfälle. Sofort war alles überschwemmt – meine Strasse ist noch immer in einem katastrophalen Zustand und auch in Trivandrum stehen jeweils Quartiere innert Stunden unter Wasser. Trotzdem gab es fast täglich sonnige oder mindestens trockene Abschnitte, so dass die Wäsche trocknete und wir den Regen wirklich geniessen konnten. Die Stauseen sind mehr oder weniger wieder auf dem normalen Level und wir hoffen, damit die Trockenzeit gut zu überstehen. Trotzdem wünschen wir uns weiterhin nächtliche Regenfälle. Lassen wir uns überraschen. Die abendlichen Stromausfälle von einer halben Stunde werden vorläufig noch beibehalten, um Strom zu sparen. Wir richten uns danach und Savitha und ich sitzen entweder gemütlich auf der Terrasse bei Kerzenschein oder liegen in meinem Bett und kuscheln und haben es lustig. Danach geht das Leben weiter und jeder hat wieder zu tun.

Am 24. Oktober wurde Savitha süsse 17. Sie hat sich jedoch in der Schule nicht feiern lassen, da sie mitten in den grossen Semesterprüfungen waren. Ihr einziger Wunsch: einen grünen (Kopf- oder Eisberg-) Salat. Ein sehr exotischer Wunsch für hiesige Verhältnisse, weil es den nur in einem 5-Sterne Hotel gibt und das auch nicht immer, weil er eingeflogen werden muss. Ich erfüllte ihr diesen Wunsch jedoch gerne und lud meine kleine Prinzessin zu einem gemütlichen Lunch ein ins Taj Residency, wo der Küchenchef sie mit einer extra grossen Vorspeise überraschte. Kopfsalat, Parmesan und warme Chickenstückli an einer französischen Sauce, dazu ein Knoblauchbaguette. Savitha war begeistert! Wir liessen uns so richtig verwöhnen und Savitha zeigte ihr Können perfekt mit Messer und Gabel, was ja nicht so einfach ist, wenn man sonst immer von Hand aus dem Blechnapf isst... Aber sie weiss sich zu benehmen, wenn es draufankommt.

Auch die letzten Tage des Monats war ich wieder ständig auf Achse. Ich begleitete Gopikas und die Gäste an eine sehr ausdrucksstarke klassische Mohinyattam-Vorführung in die Stadt. Am nächsten Tag nahm ich die Gäste mit nach Kovalam und am Abend waren wir im Thapovan bei Andreas eingeladen zu einem Carnatic Violine-Konzert mit anschliessendem Dinner und Feuerwerk, um das Lichterfest Diwali zu feiern. Für unseren Hund Jimmy waren die lauten Kracher, Raketen und die Knallerei eine absolute Tortur und er flippte fast aus. Leider konnte ich ihm auch nicht helfen und die Jungmannschaft in unserem Quartier hat wie überall die halbe Nacht lang geballert, was das Zeug hielt.

Ende Monat gabs wieder grossen Gästewechsel mit zwei Nachtschichten am Flughafen, weil die Flieger aus den Golfstaaten zwischen 03.00 und 04.00 Uhr in der Früh landen. Ich bin ständig engagiert, ob im Geethanjali, unterwegs mit den Gästen oder Freunden, Einladungen bei mir zu Hause oder wir treffen uns anderswo und jetzt, wo in Europa langsam der Winter Einzug hält, zieht es die Leute wieder in die Wärme. Deshalb bekomme ich viel Besuch von lieben Freunden oder Leuten, die meine Adresse über „7 Ecken“ bekommen haben und die ich dann erst hier kennenlerne. Spannend ist es alleweil und bei so viel Trubel kommt bestimmt keine Langeweile auf. Die Wochen fliegen nur so vorbei und ich kann es kaum glauben, dass das laufende Jahr schon bald wieder zur Neige geht. Doch so soll es sein und es macht viel Spass!

Wir wünschen euch allen eine gute Zeit und seid lieb gegrüsst

Eure

Yvonne und Savitha