Yvonne Muller

30 January 2009

Januar 2009

Nachdem ich mit Corina, die am Vortag in Trivandrum landete, und den Gästen im Thapovan bei klassischem und modernem Tanz, Buffet, süssem, selbst gemachtem Wein und Feuerwerk ins neue Jahr rutschte, fuhren wir kurz nach Mitternacht nach Hause, da wir alle am 1. Januar unsere Behandlungen hatten. Ich durfte sogar die „Massagen 09“ um 07.00 Uhr in der Früh einweihen, was immer ein grosses Privileg ist.

Corina gefiel es riesig bei uns und ich konnte ihr in den 14 Tagen einiges bieten, auch wenn wir keine grossen Sprünge machten. Trotzdem bekam sie viel mit vom indischen Alltag mit und kann sich jetzt ein Bild machen, wie wir hier leben. Auf dem Dorfmarkt war es wie immer sehr bunt, heiss, laut, doch in der Fischabteilung war ihr der Geruch dann doch zu penetrant. Der Markt bietet immer tolle Fotosujets und sie genoss die Rikschafahrten zum Supermarket und zur Post, wir machten Einkäufe in den kleinen Geschäften im Dorf und überall gab es etwas Spannendes zu sehen. Gegen Abend spazierten wir auch gerne in unserem Quartier, um die nahen Reisfelder und im Veli-Park.

Die Backwater-Sunset-Tour, die wir mit Annie vom „Palmleaves“ testeten, werde ich in Zukunft gerne unseren Gästen anbieten. Mit dem Auto nur etwa fünf Minuten vom Geethanjali entfernt, beginnt ein wunderschönes Backwatergebiet, wo wir auf der Fähre 4x mit den Einheimischen hin und her fuhren. Die Männer kamen von der Arbeit nach Hause, Frauen vom Einkaufen und die Schüler vom Nachhilfe-Unterricht. Fahrräder wurden ins Boot gehievt, wie auch riesige Aluminium-Gefässe von den Fischerfrauen, die ihre Ware von Haus zu Haus anbieten. Um 18.00 Uhr wird der Fährbetrieb eingestellt und der Fährmann fuhr uns bis zum Eindunkeln auf dem See herum, während die Sonne hinter den Palmen unterging und alles rund um uns herum in ein prächtiges Rot verwandelte. Ein eindrückliches Erlebnis, ohne viel Aufwand und Organisation.

Am Sonntag besuchten wir nach 09.00 Uhr die Kirche in Puthenthope und haben nach dem Religionsunterricht die „Kindermesse“ erlebt. Ein Meer von Kindern sass uns zu Füssen und Lehrerinnen, Nonnen oder Mütter achteten darauf, dass alle ruhig sassen und nicht schwatzten. Nur wenige Erwachsene nahmen an der Messe teil – sie besuchten die Frühmesse um 06.00 Uhr. Wir sassen den Seitenwänden entlang mit den alten Leuten auf Plastikstühlen, während die Einheimischen auf dem Boden sitzen. Es wurde gesungen und gebetet und alle trugen ihre schönsten Kleider und hatten sich für den Kirchgang herausgepützelt.

Corina war beeindruckt von den Gegensätzen, die Indien bietet und so schlemmten wir bei einem üppigen Sonntags-Lunch im 5-Sterne-Luxus in Kovalam und am nächsten Tag begleiteten wir Shashi nach Hause und Corina konnte kaum glauben, wie einfach sie in ihrem Häuschen mit der ganzen Familie wohnt. Alles ist alt, klein, eng und dunkel und trotzdem sind sie glücklich. Sie haben ein eigenes Stück Land mit einem Dach über dem Kopf und Shashi hat eine sichere und gute Arbeitsstelle, so dass sie ihre Kinder sogar in eine Privatschule schicken kann. Das ist nicht jedem gegönnt.

Weil Shashi um 16.00 Uhr Feierabend hat, müssen wir uns jeweils alleine um das Nachtessen kümmern. So gab es oft lustige Küchendienste, wo Corina und ich Savitha assistierten. Savitha rollte die Chappathis aus und wir haben die Fladenbrote ausgebacken. Fürs Curry wurde Gemüse gerüstet und danach picknickten wir jeweils während dem abendlichen Powercut (um Strom zu sparen) bei Kerzenlicht auf der Dachterrasse, wo es immer vergnügt zu und her ging. Überhaupt genoss Corina die Terrasse und lag viel in der Hängematte, hatte immer ein spannendes Buch dabei und so blieb auch mir genug Zeit, mich um die Büroarbeiten zu kümmern. Savitha hat unserem Besuch die Hände mit Henna bemalt und sie in einen Sari gewickelt für eine Fotosession.

Zwei Tage vor dem landesweiten Streiktag fuhren wir anstatt bequem im Taxi mit dem Zug nach Varkala, was viel abenteuerlicher war. Wir besuchten unsere ehemalige Nachbarin und Freunde, logierten im „Thiruvambadi“ bei Rafeeq und freuten uns, Joe aus Luzern zu treffen. Am Abend gabs einen ausgezeichneten Fisch vom Tandoori-Ofen oben bei den Klippen. Unter dem Sternenhimmel mit Blick auf die beleuchteten Fischerboote, die nur als Pünktlein sichtbar waren, kam auch bei mir Ferienstimmung auf. Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Bus zurück – was noch viel aufregender war. Wir sassen vorne beim Fahrer, bei lauter Musik, ohrenbetäubendem Gehupe und die ganze Frontscheibe war verhangen mit kitschig bunten Götterbildchen, blinkenden Lichtergirlanden, es konnte nicht schrill genug sein und alles hüpfte lustig im Rhythmus der unebenen Strassen. Und das Ereignis kostete lediglich ein paar Rupies.

Das Kalari-Training, eine alte, indische Kampfsportart, beeindruckte ebenso und nach dem grandiosen Frühstücksbuffet im Muthoot-Hotel waren wir gewappnet für die Einkaufstour in der Stadt.

Corina war gespannt auf ihre erste Ayurveda-Massage und konnte sich dermassen für das Drum und Dran einer Kur begeistern, dass wir viel bei den Gästen drüben waren. Grad drei Geburtstagskinder liessen sich im Januar feiern. Eva und Dr. Gopika erblickten am selben Tag das Licht der Welt und am Ende der Kur durfte Ruth ihre Geburtstagstorte anschneiden. Immer wurde im Kreise der Familie, mit dem ganzen Personal und allen Gästen bei Tee und Kuchen gefeiert.

Die „Swathi Sangeethotsavam 2009“ im Kuthiramalika Palast fand wie jedes Jahr vom 6. – 12. Januar statt. Wir boten den Gästen einen grossartigen kulturellen Leckerbissen und erfreuten uns an den Darbietungen des Prinzen, der auf seiner Veena spielte. Die Konzerte, welche von der Königsfamilie gesponsert werden, sind immer etwas Besonderes wegen der prächtigen Athmosphäre im Palastgarten, wo die Bühne jeweils mit Öllämpchen beleuchtet wird. Wirklich sehr eindrücklich!

Bevor Corina abflog, besuchten wir noch zusammen das Waisenhaus von Christiane und Gérard. Nachdem sie das Heim für die 144 Mädchen in den letzten 15 Jahren aufgebaut haben, müssen sie sich nun leider davon trennen, da es Christiane gesundheitlich nicht gut geht. Sie haben alles einem katholischen Orden übergeben und arbeiten im Moment noch Hand in Hand mit den Nonnen, damit sie danach das Heim alleine weiterführen können. Im Moment ändert sich für die Mädchen nichts, ausser dass „Mummy, Daddy and Philippe“ ab März nicht mehr da sein werden. Wahrscheinlich wird es danach „indisch“ geführt, doch wichtig ist, dass alle Kinder bleiben, die Sponsoren kommen weiterhin für ihre Schützlinge auf und auch die Lehrerinnen, Betreuerinnen und das ganze Personal bleibt wie bis anhin dem Heim erhalten.

Und damit rückte der Abschied von Corina immer näher. Sie flog nach Bangkok und freute sich auf eine Thailandrundreise mit anschliessenden Badeferien mit ihrer Freundin. Es waren auch für mich zwei sehr schöne Wochen gewesen und ich habe die Gesellschaft von Corina sehr genossen. Ich habe sie einfach in meinen Alltag eingebunden, sie überall mitgenommen und sie war an allem interessiert und freute sich, an unserem Leben teilnehmen zu dürfen.

Im Januar machte uns Jimmy grosse Sorgen. Er büxte 3x aus und wir mussten ihn in der Umgebung suchen. Er ist sich nicht gewohnt, unser Grundstück zu verlassen und so hat er wohl eine ziemlich abenteuerliche Nacht verbracht, als er vom Hundehaus über die Mauer sprang und sich im Quartier umsehen wollte... Er war danach auch ziemlich eingeschüchtert und kam gerne wieder nach Hause. Trotzdem hielt ihn nichts davon ab, das Wellblechdach auf dem Hundehaus einzudrücken und nochmals zwei Fluchtversuche zu wagen. Und das ausgerechnet, als es schon dunkel war und wir keinen Strom hatten. So suchten wir ihn zusammen mit den Nachbarn bei Kerzenschein und Taschenlampen - nicht einfach bei einem schwarzen Hund! Shashis Mann hat sofort die Wände erhöht, doch auch das half nichts und er versuchte es noch einmal, drückte das Wellbelchdach auf und war plötzlich auf dem Dach. Es schepperte ohrenbetäubend laut, er fürchtete sich vor dem Lärm, den er selber verursachte und getraute sich nicht, herunterzuspringen. Wieder mit Hilfe der Nachbarn, hoben wir das Dach, damit er herunter rutschte. Er verletzte sich an den scharfen Kanten vom Wellblech und als Savitha das Blut auf den weissen Marmorstufen zu unserem Haus sah, fiel sie in einen Schockzustand. Nein, das auch noch!!! Es war schon nach 23.00 Uhr und ich musste sehen, dass sie mir nicht ohnmächtig wurde. Ich trug sie in mein Bett und beobachtete sie die ganze Nacht. Erst am nächsten Tag beruhigte sie sich langsam. Doch alles ging gut und es zeigte mir mal wieder, dass ich in Extremsituationen funktioniere, was einem ein gutes Gefühl gibt. Ich blieb völlig ruhig und hatte die Sache im Griff. Inzwischen haben wir das Hundehaus nochmals umgebaut, so dass es keine Lücken mehr gibt zwischen den Wänden und dem neuen Eternit-Platten-Dach. Jezt kann er definitiv nicht mehr abhauen - hoffen wir jedenfalls...

Kaum war Corina weg, musste ich mich zwischen all den Events um meine Ferienvorbereitungen kümmern. Es gab viel zu tun, damit im Geethanjali und zu Hause alles rund läuft, wenn ich am 4. Februar in die Schweiz fliege. Dazwischen gab es noch diverse Flughafentouren mit Nachtschichten, mit Abflügen und Ankünften am gleichen Tag, diversen Touren mit den Gästen, Einladungen zum Tee bei mir zu Hause und so flogen die Tage dermassen schnell vorbei, dass ich oft nicht wusste, welchen Wochentag wir hatten.

Am 23. Januar jährte sich der Todestag von Hans zum dritten Mal. Zu diesem Anlass hat Dr. Gopika eine spezielle Pooja in einem Tempel arrangiert, wo den Verstorbenen gedenkt wird und ich durfte in einem Pulk von 100 Männern und nur wenigen Frauen eine Pooja ausführen, wie wir das sonst am Totengedenktag an der Shankahmukham Beach einmal im Jahr tun. In zwei langen, schmalen Räumen platzierten sich je 100 Leute den Wänden entlang im Schneidersitz mit dem Rücken zur Wand. Vor sich ein Messingkännchen mit heiligem Wasser, zwei Bananenblättern, darauf Sandelholzpaste, Blumenblüten, Sesamsamen, Gräser, Ghee und gekochter Reis mit Bananenstücklein. Der Priester gab Anweisungen in Malayalam und sprach die Mantras vor. Dr. Gopika stand hinter mir und übersetzte und die beiden Herren links und rechts von mir, halfen auch bei der Ausführung. Dr. Gopika war auf alle Fälle zufrieden mit mir und ich wusste ja auch schon ein bisschen wie es läuft. So haben wir die verstorbenen Seelen „gefüttert“ und ich habe auf Anraten des Astrologen die Pooja nicht nur für Hans gemacht, nein, der kleine Reisballen galt meinem Grussmutti, damit auch ihre Seele in Frieden ruhen kann.

A propos Astrologe: Ein interessanter Besuch! Ich war schon vor zwei Jahren mit Dr. Gopika und Geetha bei ihm, wobei die Anfahrt sehr lang ist und Dr. Gopika musste zuerst eine Bewilligung einholen, damit er für mich überhaupt die Muscheln legt. Er wohnt in einem bescheidenen Haus und das Konsultationszimmer ist nur ein Kabhäuschen, wo ein kleiner Holztisch Platz hat, einen Stuhl für den Astrologen, daneben ein altes Büchergestell mit all seinen zerfledderten Büchern und Heften, ein altersschwacher Ventilator wirbelt den Staub im Raum herum und drei Stühle für Dr. Gopika, Geetha und mich. Damit war der Raum völlig ausgefüllt und es konnte niemand mehr rein oder raus, geschweige denn aneinander vorbei... Er machte eine Pooja, murmelte die Mantras vor sich hin, bevor er das Samtsäcklein mit den vielen Müschelchen leerte, sie mischte und nach einem genauen Schema vor sich hinlegte. Er hatte bereits meine Daten und aufgrund der „Häuser“ und Planetenkonstellationen „befragte“ er die Muscheln und beantwortete meine Fragen. Absolut spannend! Wenn alles so wird, wie er es vorausgesagt hat, steht mir wieder ein spannendes und tolles Jahr bevor. Dabei war das 2008 kaum zu toppen. Es war einfach das schönste Jahr seit langem und ich habe es in vollen Zügen genossen!!! Aber ich lasse mich gerne überraschen und bin gespannt auf alles, was da kommen mag...

Der School-Day in Savithas Schule fiel auf den Todestag von Hans. Savitha war seit Tagen hibbelig, da sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen Sari in der Öffentlichkeit tragen durfte. Sie hat im Reigen der Ehrendamen die Gäste empfangen und zu diesem besonderen Anlass durfte sie meinen Keralasari mit den Goldbordüren tragen. Nach der offiziellen Feier mit den vielen Ansprachen, kamen die Gäste vom Geethanjali, um sich die diversen Darbietungen (Tanz, Gesang und Theater) der Kinder anzusehen. Es war wie immer lustig, fröhlich und farbenfroh – und alles mit durchdringend lauter Musik untermalt! Aber da muss man halt durch.

Der School-Day war ein willkommener Anlass, dem Schulstress mal zu entkommen, da es für Savitha nun auf den Schlussspurt zugeht. Nach dem Elternmeeting stehen die Kinder jetzt unter extremem Druck und werden zu Hause wie unter einer Käseglocke gehalten. Es gibt nur noch das Thema Schule, Nachhilfe und lernen, lernen, lernen. Ich kann da nicht viel beitragen, doch Savitha weiss, worum es geht, sie bleibt am Ball und wir hoffen, dass alles gut geht. Mitte März beginnen die Prüfungen.

Father Joseph Pereira, der Pfarrer der St. Andrews Kirchgemeinde, war einer der Ehrengäste am School-Day. Ich traf ihn nach dem offiziellen Teil bei Kaffee und Kuchen im Lehrerzimmer und er sprach mich auf Deutsch an. Nur sehr langsam und nicht perfekt, aber er war sehr stolz, dass er sich die Sprache selber beigebracht hat und so freute er sich riesig, das Gelernte anzuwenden. Am folgenden Sonntag begleitete mich Savitha in seine Kirche und nach dem Gottesdienst empfing er mich in seinem Büro. Er ist sehr sympathisch, lacht viel, ist herzlich mit einer fröhlichen Ausstrahlung und zudem finde ich die Kirche viel heimeliger, weil kleiner, als die grosse Kirche in Puthenthope. So werde ich in Zukunft mit den Gästen lieber diese Kirche besuchen, wo man auch in richtigen Bänken sitzt.

Doch der Monat war noch nicht zu Ende und ich besuchte mit den Gästen ein Gazal-Konzert im Open-Air-Auditorium in Trivandrum, welches im Zusammenhang stand mit dem Foodfestival. Gazal sind alte Hindi-Liebeslieder aus der Mogulen-Zeit, die bei den Maharajas und Maharanis sehr beliebt waren. Geetha ist begeistert von den Texten, weil sie Hindi versteht, doch leider konnte sie wegen ihrer Erkältung nicht dabei sein. Doch auch für uns war der Abend unvergesslich und vor dem Konzert verköstigten wir uns an einem der diversen Essensstände der hiesigen Hotels, die Köstlichkeiten aus Kerala anboten. Mal was anderes.

Dr. Gopika hat am 27. Januar zum Andenken an Hans einen Vortrag in Savithas Schule organisiert, der für alle Schülerinnen und Schüler der 8. – 12. Klasse galt. Dr. Gireesh referierte über das Thema „effizientes Lernen“. Die Kinder gingen völlig mit und hingen an seinen Lippen. Es gab viel zu lachen und er gab ihnen gute Tipps für die bevorstehenden Prüfungen. Auch meinen kleinen „speach“ brachte ich gut über die Bühne und übergab die Awards dem besten Schüler und dem besten Lehrer der Jothy Nilayam School.

Gleich am nächsten Tag wurde ich zum Lunch und Meeting ins neue Goethe-Zentrum in Trivandrum eingeladen. Bei der offiziellen Einweihung war der Umbau noch nicht ganz fertig gewesen, doch jetzt erstrahlt das alte Keralahaus, welches mitten in der Stadt liegt, jedoch ruhig, etwas erhöht und im Grünen, in neuem Glanz. Ich habe neue Leute kennengelernt und es gab einen richtig vergnüglichen Nachmittag. Als Ehrengäste waren zwei berühmte Malayalam-Dichter eingeladen worden – O.N.V. Kurup und Sugatha Kumari, die ich bereits bei einer anderen Gelegenheit kennenlernte. Sie rezitierten Auszüge aus je zwei Gedichten im typischen Malayalam-Singsang und die wunderschönen lyrischen Texte waren extra für diesen Anlass ins Deutsche übersetzt worden. Wir waren vom poetischen Inhalt hingerissen.

Und jetzt heisst es: Koffer packen und ab in die Schweiz! Ich freue mich riesig darauf, meine Familie und Freunde zu sehen, den herrlichen Winter zu geniessen und natürlich muss ich mich auch um mein neues Visum kümmern. Die einen oder anderen sehe ich schon bald, doch um alle zu besuchen, fehlt wie immer die Zeit. Doch ihr werdet sicher verstehen, dass ich nebst all den Winteraktivitäten auch meine Eltern geniessen möchte und sie mich...

Somit wird es Ende Februar keinen Newsletter geben, dafür melde ich mich Ende März wieder.

Liebe Grüsse

Yvonne und Savitha

01 January 2009

Dezember 2008

So schnell wie der November vorbei war, flog uns auch der Dezember um die Ohren. Ich begleitete die Gäste auf diverse Halb- und Ganztagestouren und habe dieses Segment etwas mehr ausgebaut, was mir sehr Spass macht und die Leute schätzen meine Begleitung. Voraussichtlich teste ich im Januar eine Sunset-Backwatertour in der Nähe vom Geethanjali und eine Fahrt nach Ponmudi, dem „Hausberg“ von Trivandrum, um mein Angebot zu erweitern.

Diese Backwater-Gegend habe ich während einer Hausbesichtigung entdeckt. Ich bin nicht auf der Suche nach einem neuen Daheim, da es uns im „Vishakham“ nach wie vor super gefällt und ich werde den Vertrag, der im Mai 09 ausläuft, voraussichtlich verlängern lassen. Die Eigentümer sind in ein neues Haus an unserer Strasse umgezogen, doch als ich sie kennenlernte, wollten sie mir unbedingt ihr vorheriges Haus zeigen, welches sie vermieten möchten – am liebsten natürlich an Ausländer. Wie erwartet war es total verlebt, es müsste extrem viel renoviert werden und wer will schon direkt an der Strasse wohnen mit einem Balkon, der so quasi über die Strasse hängt? Es gibt weit und breit keine touristische Infrastruktur, nicht einmal ein Dorf. Aber egal, bei dieser Gelegenheit habe ich einen wunderschönen Backwatersee entdeckt und von da aus erstreckt sich das Kanalsystem bis zum Meer. Das will ich unbedingt näher auskundschaften.

Am 5. Dezember rief Amma an und bat Savitha, sofort in ihr Heimatdorf zu kommen, um sich von der Grossmutter zu verabschieden, die im Sterben lag. Im ersten Moment war Savitha nicht begeistert, sie hatte schliesslich Schule, Tuition und die Weihnachtsprüfungen lagen vor ihr. Doch sie erklärte mir dann, dass sie die Mutter von ihrem verstorbenen Vater doch noch sehen möchte, weil sie sich immer sehr lieb um sie kümmerte, während sie unter ihrem alkoholsüchtigen Vater und der bösen Stiefmutter litt. Nur Ammuma war jeweils für sie dagewesen. Savitha schlug vor, den Besuch für den nächsten Tag zu planen, entschied jedoch kurzfristig aus dem Bauch heraus, noch am selben Abend nach der Schule mit Shahsi in einer Rikscha nach Bharathanoor zu fahren. Die Grossmutter lag im Spital, wo sie bereits niemanden mehr erkannte, doch Savitha hatte das Gefühl, sie hätte reagiert, als sie bei ihr auf dem Bett sass. Am nächsten Tag kam der Anruf, dass die Grossmutter in Ruhe eingeschlafen sei. Wie froh waren wir, dass Savitha sie am Vorabend noch besuchte. Sie hatte es wieder einmal gespürt, wie damals vor drei Jahren, als ihr Vater sich das Leben nahm.

Mein Weihnachtsgeschenk habe ich vom 9. – 17. Dezember eingelöst – eine Woche Ferien in Dubai mit Jimmy aus Bern, den ich übers Internet kennenlernte. Wir waren uns im Vorfeld per Telefon, mail und SMS sehr nah gekommen und deshalb entschieden wir uns spontan für ein „blind date“ um Mittnacht auf dem Flughafen in Dubai bei der Gepäckausgabe. Nicht gerade ein 08/15-Treffpunkt!!!

Das 5-Sterne-Hotel „Hilton Resort and Spa“ lag eine Stunde nördlich von Dubai in Ras al Khaimah. Wunderschön gelegen an einer Privatbucht mit herrlicher Parkanlage, zwei Pools, Restaurants und Bars, grossem Spa-Bereich – alles im arabischen Stil gebaut – wirklich wie in 1001 Nacht! Wir waren in einem 4-er Bungalow direkt am Meer mit Terrasse, Rasen, dem Strand vor der Nase und dank einem upgrading residierten wir sogar in einer Juinor-Suite! Es war absolut genial! Jimmy musste mich ganz schön warm halten, da ich mich andere Umgebungstemperaturen gewohnt bin als nur 25° bei Sonnenschein und kühlen Winden und bei Wassertemperaturen von 23° im Meer und in den Pools... Ich war aber wirklich die einzige, die so empfand und über dem Badeanzug ständig ein T-Shirt trug und mich unter Frottéetücher kuschelte.

Wir haben die Ferien extrem genossen, auch wenn wir beide eingesehen haben, dass unsere Leben nicht kompatibel sind und Jimmy nicht indien-tauglich ist. Es stimmt sehr vieles, aber nicht genug für eine Beziehung auf Dauer in meiner Umgebung. Inzwischen hat mich der Alltag wieder mit meinem ganzen indischen Umfeld, welches ich so liebe, auf der anderen Seite hat es extrem gut getan, den indischen Fesseln mal zu entkommen. Ja, einfach mal tun und lassen was frau will und nicht ständig Regeln beachten zu müssen. Die gemeinsamen Tage haben uns sehr gut getan, wir haben die Nähe ausgekostet und einander das gegeben, was sich jeder wünschte. Vielleicht wäre das eine etwas andere Art einer Beziehung, wenn man sich einfach 3-4 mal im Jahr sieht, schöne Ferien zusammen geniesst und daneben jeder sein eigenes Leben lebt. Die Treffen würden jeweils ausserhalb von meinem Wirkungskreis stattinden, wo ich keine Rücksicht nehmen muss auf die indische Kultur. Nur dann fühle ich mich wirklich frei und ich denke, das wäre gar keine so schlechte Lösung. Denn ehrlich gesagt, meinen Alltag manage ich eigentlich ganz gut alleine, Savitha, Gopikas und die Gästen füllen mein Leben aus und dazu brauche ich nicht wirklich einen Mann. Dazu kommt, dass ich mit meinem Witwen-Status hier sehr gut lebe. Ich stelle offensichtlich dermassen hohe Anforderungen, weil einfach alles perfekt sein sollte – für mich und mein Umfeld. Zudem weiss ich, dass ich genau schauen muss, wen ich in mein Leben hier lasse. Vielleicht ist dieser Mann noch gar nicht geboren oder muss zuerst noch „gestrickt“ werden hihihi... Indien ist einfach anders und eine absolute Herausforderung für einen Mann.

Wegen den Dubai-Ferien habe ich leider das „13th International Film Festival of Kerala“ mehr oder weniger verpasst. Gopikas nahmen die Gäste mit an die Eröffnungsfeier und schauten sich danach noch fünf oder sechs Filme an, welche von einer internationalen Jury bewertet wurden. Wegen den Terrorattacken in Mumbai waren sie sehr streng mit den Sicherheitsvorschriften und wir konnten die Gäste nicht einfach spontan mitnehmen, weil man im Vorfeld des Festivals persönliche Eintrittspässe mit Fotos und Adressen organisieren musste. Kaum war ich zurück, gönnten Dr. Gopika, Geetha und ich uns einen tollen Kinoabend mit einem türkischen Film. Dafür organisierten Dr. Gopika und ich für den Abschlussabend VIP-Tickets für unsere Gäste. Es wurde ein ganz spezieller Abend, da die Verteilung der Awards im grossen Nishagandhi-Open-Air Auditorium stattfand, wo auch der Siegerfilm gezeigt wurde.

Und schon stand Weihnachten vor der Türe, doch hier kam wie immer überhaupt keine Stimmung auf, noch hatte ich sonst gross „Bock“ darauf. Savitha hatte inzwischen ihre Prüfungen hinter sich gebracht und freute sich darauf, die Festtage bei ihrer Schwster im Heimatdorf zu verbringen, die dort verheiratet ist und in Erwartung des zweiten Kindes ist. Sie freute sich sehr darauf, mit ihrer kleinen Nichte Sreekutty zu spielen, die sehr an ihrer Cunjamma („kleine Mutter“ als Bezeichnung für die jüngere Schwester der Mutter) hängt. Zudem kam die ganze Verwandtschaft für die Beerdigungszeremonie der Grossmutter zusammen, die zwei Wochen vorher starb.

Es gab im Vorfeld zu diesen Ferien ein paar wüste Auseinandersetzungen zwischen Savitha und Amma, da die Mutter darauf bestand, dass Savitha bei ihr wohnt. Doch sie hatte absolut keine Lust dazu, weil ein neuer Mann bei Amma eingezogen ist. Amma sprach von „Heirat“, aber der Mann ist nicht geschieden und Frau und Kinder wohnen in Varkala, wo er auch als Taglöhner arbeitet. Und da es in Ammas Häuschen nur einen Raum gibt, wollte Savitha mit Recht nicht bei ihnen wohnen. Zudem hat sich die Mutter wieder mit der ganzen Nachbarschaft verkracht, so dass Savitha niemanden zum Spielen gehabt hätte. Und die schizophrenen Schübe von Amma sind noch immer sehr unberechenbar. Am Schluss hat Savitha dann doch noch das Okay von Amma bekommen, dass sie bei der Schwester wohnen darf. Das lag alles nicht in meinem Befugnisbereich, doch Savitha weiss sich zu wehren und in einem Jahr ist sie 18 und kann selber entscheiden.

Somit war ich über die Weihnachtstage alleine zu Hause. Es wurde kein Baum aufgestellt und es gab keinen Heiligabend. Wäre auch mit Savitha alleine etwas trostlos gewesen und so war ich froh, dass sie zu ihrer Schwester konnte. Vor einem Jahr war noch mein Bruder Rolf mit seiner Ina bei uns. Damals feierten wir richtig schön mit Bescherung auf der Terrasse vor dem geschmückten Christbaum, einem herrlichen Dinner und der Mitternachtsmesse in der Stadt. Doch so alleine – da war es mir lieber, wenn Savitha auswärts war. Trotzdem war ich am Vorabend etwas geknickt und hatte Bammel - schliesslich habe den 24. Dezember noch nie alleine verbracht. Doch ich wollte es ja so...

Es ging dann jedoch alles gut über die Bühne. Zum Mittagessen war ich im Geethanjali drüben bei den Gästen. Zum Tee schnitten Malu, die Tochter von Gopikas und ich die Weihnachtstorte an und dazu gab es „selbstgebastelten“ Wein (Trauben, Pfeffer, Ingwer, Zimt und andere Gewürze mit Hefe gären lassen) und wir feierten mit allen Angestellten mit einem kleinen künstlichen Christbaum, einem echten im Garten, wo die bunten Lichtlein alle ganz nervös blinkten, grosser Krippe und Silverster/Faschings-Dekoration - Weihnachten à la Kerala. Es war richtig schön und auch für die Gäste eine völlig neue Erfahrung. Schliesslich sind Gopikas und die meisten Angestellten Hindus, wir haben auch ein paar Muslime dabei und eine Christin. Deshalb ist es nicht selbstverständlich, dass im Geethanjali Weihnachten gefeiert wird - wenn auch in einem etwas anderen Rahmen als wir das kennen. Doch ein schönes Zeichen, wie hier im Süden alle Religionen friedlich bei- und miteinander wohnen, wo alle religiösen Feste zusammen gefeiert werden - ob Onam, Id-ul-Fitr oder eben Weihnachten. Zudem wurden wie immer die typischen englischen Plumcakes im Freundes- und Nachbarkreis ausgetauscht und alle wünschten sich „Happy Christmas!“.

Am 25. fuhr ich mit den Gästen an die Kovalam Beach und am Abend erfreuten wir uns an einem klassischen Carnatic-Flötenkonzert im „Thapovan“ bei Andreas, wo wir uns im Anschluss an einem herrlichen Buffet an der Beach gütlich taten. Damit ging Weihnachten gut über die Bühne, auch wenn ich zu Hause nichts organisiert hatte.

Savitha kam am 26. Dezember wieder heim. Es hatte auch während den Ferien ein paar Auseinandersetzungen mit der Mutter gegeben. Sie hatte mir davon am Telefon berichten wollen, jedoch in Schweizerdeutsch, damit es die anderen nicht verstehen und so hatte ich leider nicht alles genau mitbekommen. Am 30. Dezember startete bereits wieder die Schule und jetzt beginnt der Endspurt für die Jahresabschlussprüfungen, wo sich danach ihr weiterer beruflicher Lebensweg entscheiden wird.

Es gab Ende Dezember wieder einen Gästewechsel und am 30. erwartete ich Corina, die Tochter einer ehemaligen Schulfreundin von der Lenzerheide. Sie wird bis Mitte Januar bei uns bleiben und ich habe schon die eine oder andere Idee, was wir zusammen unternehmen können. Vielleicht will sie noch alleine ein bisschen herumreisen – es ist jedenfalls nichts geplant und so schauen wir von Tag zu Tag, wie wir das Programm gestalten wollen.

Silvester war geplant, ruhig zu Hause zu verbringen, doch da es den Gästen an Weihnachten dermassen gut im „Thapovan“ gefallen hat, fuhren wir auch am Jahresende nochmals hin. Nach einer klassischen Tanzvorführung liessen wir uns kulinarisch am grossen Buffet verwöhnen mit Musik und Feuerwerk und das alles natürlich bei angenehmen Temperaturen am Meer unter Palmen. Kurz nach Mitternacht fuhren wir jedoch zurück, da wir alle am Neujahrstag unsere Behandlungen hatten. Ich lag sogar um 07.00 Uhr bereits im Madom und durfte die „Massagen 2009“ einweihen, was immer ein grosses Privileg ist. So hoffen wir auf ein weiteres erfolgreiches Geethanjali-Jahr, was jedoch kaum zu toppen ist, weil wir im 2008 so gut ausgebucht waren, wie noch nie zuvor.

Wir wünschen euch allen ein wunderschönes, erlebnisreiches, erfolgreiches und gesundes 2009 und mögen alle unsere Wünsche in Erfüllung gehen...

Liebe Grüsse und seid herzlich umarmt
Yvonne und Savitha