Yvonne Muller

30 April 2007

April 2007

Bei mir begann der April nicht mit einem Aprilscherz, dafür mit einem gemütlichen Besuch in Varkala bei einer lieben Schweizer Freundin. Nachdem sie im Februar mein Häuschen besichtigte, war ich natürlich auch auf ihr Zuhause gespannt und wir verbrachten einen herrlichen Nachmittag auf ihrer Terrasse und beim Lunch auf den Klippen. Ich dachte, die Saison sei bereits zu Ende und staunte, als sich noch Touristen am Strand in der Sonne räkelten und in den Wellen spielten. Sogar die Restaurants waren zum Teil noch gut besetzt. Die Kashmiris waren noch da, die Tibeter jedoch hatten ihre Geschäfte bereits geschlossen. Es sah alles sauber und proper aus – noch überhaupt keine Saisonendstimmung. Ich war mehr als angenehm überrascht.

Nach dem idyllischen Sonntag in meiner alten Heimat, wurde am nächsten Tag bei Salina drüben die erste Periode ihrer 12-jährigen Tochter Susmi gefeiert. Ich war gespannt, da wir noch nie zu einer solchen Zeremonie bei einer Muslimfamilie eingeladen waren. Doch auch sie halten sich mehr oder weniger an die Hindu-Regeln. Genau vor drei Jahren haben wir das gleiche Fest für Savitha veranstaltet. Sieben Tage davor setzte die erste Blutung ein und für Susmi wurde sofort ein eigenes Zimmer hergerichtet, welches sie kaum mehr verlassen durfte. Sie hielt sich an eine spezielle Diät, empfing weibliche Besuche von Verwandten, wurde umsorgt, verwöhnt und beschenkt. Dafür durfte der Vater ihr Zimmer nicht betreten und sie durfte selbstverständlich das Haus nicht verlassen. Die Mädchen geniessen es jeweils sichtlich, zum ersten Mal im Leben im Mittelpunkt zu stehen. Später gibt es nur noch die Hochzeit und die Geburt eines Sohnes. Am 7. Tag ist alles vorbei und alle Verwandten werden zu einem Festessen eingeladen. Susmi bekam ihren ersten Goldschmuck und natürlich viele neue Kleider. Da wir bis jetzt nur Salinas Verwandte kannten, die alle hier im Quartier wohnen, wurde ich von „Vapajis“ (Vaters) Verwandten umsomehr bestaunt und umringt. Savitha, Valsala und ich waren die einzigen geladenen Gäste, die nicht zur Verwandtschaft gehörten, doch für die Familie war es selbstverständlich, dass wir dabei waren. Das hat mich sehr gefreut. Dafür hat Valsala auch tatkräftig bei den vielen Kochvorbereitungen geholfen. Ich wurde gleich neben Susmi auf ihr Bett platziert und sofort war ich umringt von vielen Frauen und noch mehr Mädchen. Es gab ein riesiges Geschnatter und wir hatten es lustig in unserem Kauderwelsch zwischen Englisch und Malayalam. Susmi trug ein neues Partykleid und war hübsch zurecht gemacht für ihren grossen Tag. Kaum hatte ich ihr unser Geschenk überreicht, zog sie sich jedoch um und trug danach unseren langen Rock mit dem hübschen Top. War ihr wohl bequemer als das Kunstgewebe mit Rüschen und Spitzen, das überall zwickte und kratzte... Eine eigentliche Zeremonie gab es nicht und so sassen wir fröhlich beisammen, bis wir zum Essen gerufen wurden. Wie immer bei Muslim-Familien, gab es feines Chicken-Biryani und es schmeckte herrlich. Schliesslich wehte der Geschmack schon seit morgens um 05.00 Uhr von der grossen Feuerstelle zu uns herüber...

Zwei Tage vor dem grossen Fest gab es eine grosse Aufregung bei Salina drüben. Ihre Ziege Manikutty hat Junge bekommen. Die ganze Nacht wachte die Familie und hat versucht, Manikutty beizustehen. Drei Zicklein hat sie zur Welt gebracht, wobei leider keines mehr als 24 Stunden lebte. Der Tierarzt musste am Morgen gerufen werden und sie waren am Schluss froh, dass wenigestens die Mutter die Strapazen überlebte. Es hatte nämlich eine Weile nicht gut ausgeschaut. Aber inzwischen hat sich Manikutty wieder erholt und wir sind alle glücklich. Jetzt grast sie wieder jeden Tag gegenüber von unserem Haus, wo Vapaji sie jeweils an eine Palme anbindet und am Abend holt er sie wieder nach Hause. Aber Ziegenmilch mag ich trotzdem nicht!

Und schon stand Ostern vor der Türe. Früher habe ich jeweils einen Osterkorb mit kleinen Geschenken für die ganze Familie gebastelt, den Savitha im Garten suchen durfte, danach gab es einen Osterbrunch, wo wir die bemalten Ostereier tütschten. Im ersten Jahr haben Savitha und ich die Eier mit Wasserfarben bepinselt - hei, gab das eine Sauerei beim Essen! – doch später bekam ich Eierfarben aus der Schweiz und Mami schickte mir jeweils ein paar Osterdekorationen mit Servietten. Doch jetzt machen wir keinen Aufwand mehr deswegen und da es hier weder Schoggihasen gibt – würden eh gleich schmelzen – noch sonstige Süssigkeiten und Dekorationen, geht Ostern mehr oder weniger sang- und klanglos an uns vorbei.

Dafür war offensichtlich das ganze Schweizervolk in frühlingshaftem Aufruhr und alle freuten sich auf sonnige Ostertage und hatten etwas vor über die Festtage. Die einen wollten noch zum letzten Mal auf die Skis und aufs Snowboard, während für die anderen bereits die Bike-, Motorrad- oder Schiffsaison begann. Es zog sie gen Süden ins Tessin, nach Zypern oder sogar bis nach Andalusien zum Golfen. Gärten wurden für den Sommer hergerichtet, die ersten Würste auf den Grill gelegt oder einfach auf der Terrasse oder dem Balkon die Sonne genossen.

Ich hingegen freute mich auf die Ostermesse in einer der Kirchen in der Nähe der Beach. Annette aus Norwegen begleitete mich, die im Geethanjali am Kuren war. Nach dem starken Gewitter in der Nacht, fiel ab 23.00 Uhr der Strom aus und deshalb blieb mir am Morgen nichts anderes übrig, als meinen Sari bei Kerzenschein zu wickeln. Die Kirche war voll und wie üblich sassen die Frauen mit ihren Kindern im Schneidersitz auf dem Boden, während die Männer im hinteren Teil der Kirche standen oder sich auf dem grossen Kirchenplatz aufhielten. Die bunten Saris der Frauen wirkte wie ein Farbenrausch und alle waren zum Ehrentag schön heraus geputzt. Die Mädchen stolzierten in pastellfarbenen Spitzen- und Rüschenröcklein herum und die kleinen Buben waren in westliche Anzüge oder in Kurtas gesteckt worden, in denen sie sich aber offensichtlich nicht sehr wohl fühlten. Von der eigentlichen Messe in Malayalam haben wir nicht viel mitbekommen und zudem sind mir die katholischen Riten nicht geläufig. Die melodiösen Kirchenlieder waren wie meistens Filmmelodien mit christlich vertonten Texten, wie es hier üblich ist. Traditionelle Kirchenmusik gibt es kaum und anstatt einer Orgelbegleitung wird auf dem Keyboard gespielt. Die Musik war wie immer sehr laut, aber lüpfig und animierte fast zum mitschunkeln.

Mit den nächtlichen Sommergewittern begann auch wieder die Zeit der grossen Stromausfälle, denn beim ersten Windhauch und beim zweiten Tropfen Regen fällt immer gleich der Strom aus. Stromausfälle bedeuten nicht nur kein Licht und kein Ventilator, sondern auch kein PC, kein Internet, kein Wasser, weil die Wasserpumpe nicht funktioniert und nach jedem grösseren Regenguss steht unsere Strasse gleich unter Wasser. Sobald der Monsun beginnt wohnen wir demnach nicht mehr an einer Strasse, sondern an den Backwaters. Sofort tummeln sich ein paar Enten in der braunen Brühe und sie lassen sich nicht so schnell von hupenden Autos verscheuchen, sondern geniessen ihr Bad und verteidigen ihr Revier. Aber das kennen wir ja bereits vom letzten Jahr und dieses Jahr wirds wohl auch nicht besser werden. Die Strasse sollte dringend renoviert werden, doch da es sich nicht um eine Hauptstrasse handelt, bilden wir wohl auf der Renovationsliste das Schlusslicht. Dafür gibts kaum Verkehr und nachdem im April noch die letzten Tempelfeste zu Ende gingen, ist es jetzt wieder herrlich ruhig im Quarter. Ich wuste ehrlich gesagt nicht, dass wir sooo viele Tempel in der Nähe haben!

Kaum war Ostern vorbei, stand „Vishu“ vor der Türe. Mit diesem Feiertag wird das landwirtschaftliche neue Jahr eingeläutet, wenn die Reisfelder neu bestellt werden. Zu diesem Anlass wurde am Sonntag, 15. April, in jedem Hinduhaus das Deepam (Öllampe) festlich dekoriert mit allem was der Familie im kommenden Jahr an Wohlstand bringen soll. Nebst den üblichen Opfergaben wie Kokosnüsse, Bananen, Rohreis und Räucherstäbchen, gehörten an Vishu auch Kleider dazu, Schmuck, Geld, Esswaren wie Gemüse und Früchte einen Spiegel, Krishna, der flötenspielende Gott und alles wird mit „Vishu-Flowers“ (Goldregen) geschmückt, der um diese Zeit blüht. Normalerweise trifft die Hausfrau alle Vorbereitungen und am Morgen in der Früh weckt sie die Familie und alle treten mit geschlossenen Augen vor das Deepam, um zuerst die grosse Pracht zu sehen. Damit sollen alle Wünsche für das kommende Jahr in Erfüllung gehen. Ich kam zwar etwas später ins Geethanjali, aber es war auch so schön, die aufwändigen Dekorationen im Haupthaus und im Gästehaus drüben zu bewundern. Malu hatte sich riesig Mühe gegeben und war schon um 03.30 Uhr auf den Beinen, um alles schön her zu richten. Wir trommelten alle Angestellten herbei und auch Claudia, unser Kurgast, war mit von der Partie. Ich verteilte all die Vishu-Geschenke an die Angestellten, weil sie das Jahr über kein Trinkgeld von mir bekommen. Dafür gibts zu Vishu, Onam und Weihnachten neue Kleider, so wie es der Brauch will.

Vishu war gleichzeitig auch das Saisonende fürs Geethanjali und am nächsten Tag fuhr Claudia noch für ein paar ruhige Ferientage nach Varkala, während wir die Angestellten für 10 Tage zu ihren Familien nach Hause schickten und das Geethanjali geschlossen wurde. Gopikas starteten zu ihrer 7-tägigen Tempeltour in Richtung Nordkerala nach Guruvayoor und hinauf bis nach Karnataka, wo sie im Mukhambikha-Tempel eine spezielle Pooja für Malu machten, die im kommenden Jahr das 10. Schuljahr besucht – das schwierigste Schuljahr überhaupt, weil danach anhand der Noten entschieden wird, in welche Richtung sie später studieren kann. Deshalb baten sie die Götter um den Segen. Im letzten Jahr waren wir ja auch mit von der Partie, als Savitha und ich mit Gopikas und der Urne von Hans nach Wayanad fuhren. Dieses Jahr liessen wir die Familie aber lieber alleine reisen, weil sie noch viel weiter fuhren und zudem wird es im Auto für sieben Leute mit Gepäck für eine Woche einfach zu eng und die Reise war ziemlich beschwerlich wegen der Hitze.

Deshalb blieben Savitha und ich lieber zu Hause und sie genoss ihre kurzen Sommerferien – es waren ja nur drei Wochen, anstatt wie üblich zwei Monate – mit Susmi und Jasmi und auch Daniel, der Neffe von Valsala, war für ein paar Tage bei uns. Doch da er jetzt in einem Alter ist, wo er gerade den Stimmbruch bekommt und er noch scheuer ist als sonst, fühlte er sich nicht sehr wohl in unserem „Frauenhaus“ und ging nach dem Wochenende wieder nach Hause, was ich auch verstand. Zudem musste er sich bei einer neuen Schule bewerben, Prüfungen ablegen und die Tuition begann für ihn, so dass er nicht länger bleiben konnte. Dafür kam seine jüngere Schwester Alma, die liebend gerne ihre Sommerferien bei uns verbringt. Savitha genoss den Status der älteren Schwester der drei Mädchen und es war immer etwas los. Wegen der Hitze wurde immer in der Wohnhalle auf Reismatten geschlafen, wo es auf dem Marmorboden am kühlsten war.

Als Ferienüberraschung wollte ich mit Valsala, Salina und den vier Mädchen gerne mal ins Kino, nach Varkala zum Sunset an den Strand, nochmals in den Veli-Park, von mir aus in den Zoo, oder wo auch immer. Aber ehrlich gesagt, war es uns allen zu heiss und so blieben wir wenn möglich zu Hause und liessen die Ventilatoren über unseren Köpfen auf Hochtouren schwirbeln – sofern wir überhaupt Strom hatten...

Aber ein tolles Ereignis gab es doch noch. Die Indian Air Force aus Delhi bot in Trivandrum eine geniale Flugshow, die ich mir nicht entgehen lassen wollte. Savitha und Alma durften mich an die Shankhamukham Beach begleiten. Hei, das war toll! Sogar die Mädchen waren ganz aufgeregt. Zuerst gab es eine Helikoper-Show, danach starteten vom nahen Flugenhafen aus die Kampfflugzeuge, die ihre Kunststücke am blauen Himmel über dem Meer vorführten und grün-weiss-rote Farbe hinterliessen. Und zum Abschluss sprangen Fallschirmspringer ab und landeten am Strand vor den VIP-Tribünen. Natürlich hatte es sehr viele Leute, doch wir fanden ein schattiges Plätzchen inmitten der Frauen und hatten es lustig. Die Babies um uns herum waren aber mehr an der weissen Frau interessiert, weil die Flieger für sie zu weit weg waren. Leider habe ich dann am Abend das Militärkonzert in der Stadt verpasst. Wäre da auch gerne dabei gewesen. Hans und ich hatten vor Jahren mal ein solchen Konzert erlebt und waren begeistert gewesen, obwohl es natürlich nicht an ein Schweizer Militärmusik-Konzert heran kam. Aber da die hiesigen Dorfmusikformationen jeweils für unsere Ohren mehr nach Faschingsmusik tönt – wir nennen es Guggenmusik – war das schon ein spezieller Ohrenschmaus gewesen.

Und schon bereitete sich Savitha wieder auf das neue Schuljahr vor. Wir freuten uns sehr, dass sie die Prüfungen der 8. Klasse bestanden hat. Details gibt es nicht, auch kein schriftliches Zeugis wird ausgehändigt. Aber bestanden ist bestanden! Wir holten die Schulbücher ab, waren in der Stadt und kauften den Stoff für ihre neue Uniform und am 25. April begann für sie bereits das neue Schuljahr. Sie nennen es „Summerclass“. Für die Schüler der 9. und 10. Klasse beginnt das Schuljahr immer so früh, weil sie sonst mit dem Schulstoff nicht durchkommen, wegen den vielen Frei- und Feiertagen und den Streiks. Mit der Maths-Tuition hat sie bereits an Vishu angefangen, weil dieser Tag als gutes Omen gilt, etwas Neues an beginnen und mit der Physics und Chemistry Tuition ging es am 23. April los. Somit hat sie ab jetzt nach der offiziellen Schule von 09.00 – 15.00 Uhr noch jeden Abend 1 – 1½ Stunden Nachhilfe-Unterricht. Ohne geht es nicht und alle gehen irgendwohin in die Gruppentuition. Das ist übrigens DAS Business für die Lehrer, weil sie in den Schulen nicht viel verdienen, doch zu Hause machen sie am Abend das grosse Geld. In meinen Augen eigentlich bescheuert, aber das ist das hiesige System und es gibt nur eines: mitmachen! Aber Savitha ist guter Dinge und wenn sich alles mal eingespielt hat – auch mit den Transporten - wird es schon gehen. Dafür halte ich ihr zu Hause den Rücken etwas frei und sie muss nicht mehr gross helfen. Es bleibt einfach keine Freizeit mehr, denn die Hausaufgaben müssen auch noch gemacht werden. Die kommenden zwei Jahre werden die härtesten sein, aber ich hoffe, dass sie es schaffen wird.

Am 26. April kamen die Angestellten wieder ins Geethanjali und die neue Saison begann. Dr. Gopika und sein Team kümmerte sich um drei indische Patienten, bevor dann am 4. Mai offiziell die neue Saison mit dem ersten Gast aus der Schweiz beginnt. Gegen Ende Mai sind wieder alle drei Zimmer mit Gästen aus Europa besetzt. So hoffen wir auf eine gute und erfolgreiche Saison 07/08. Bis jetzt sieht es mit den Buchungen jedenfalls vielversprechend aus und wir sind alle zuversichtlich und freuen uns auf die neue Ayurveda-Saison.

So ging der heisse April vorbei und wir hoffen dringend auf Regen im Mai! Alles ist völlig ausgedörrt, die Stauseen sind bald leer, das Grundwasser liegt tief und so wäre der Regen mehr als willkommen und nötig. Es gibt in der Stadt Stromengpässe, zum Teil kein Wasser mehr und lansgam wird es kritisch. Aber wir hoffen, dass wir den Mai auch noch gut überstehen und danach beginnt hoffentlich rechtzeitig der Monsun am 1. Juni, so wie es sich gehört...

Vor einem Jahr um diese Zeit waren wir noch mitten in den Umzugsvorbereitungen. Ich bin froh, dass wir das alles hinter uns haben und wir uns hier am neuen Ort so gut eingelebt haben. Ich kann mir ein Leben in Varkala gar nicht mehr vorstellen. Hier stimmts wirklich für uns und wir sind glücklich und zufrieden.

Ich wünsche euch allen einen wunderschönen Frühling und dass das Wetter hält, wie bis anhin. Ist ja völlig ungewöhnlich!

Liebe Grüsse und bis in einem Monat
Yvonne und Savitha

01 April 2007

März 2007

Endlich – am 1. März ging das Tempelfest gegenüber von unserem Haus dem Ende entgegen! Wir waren noch an der grossen Nachmittags-Pooja, danach hat sich der Umzug formiert und zog bis fast um Mitternacht im Quartier herum. Das Ziel war wieder unser Tempel und zum Abschluss gab es noch ein riesiges Feuerwerk mit lauten Krachern, dass die Wände zitterten und die Glasscheiben klirrten. Danach kehrte endlich Ruhe ein und am nächsten Tag wurden die Trichterlautsprecher auch schon abmontiert. Die Ruhe hielt aber nicht lange, denn an unserer Strasse gibts gleich drei Tempel und für das nächste Fest wurde bereits aufgerüstet. Wir wurden zwar nicht mehr direkt beschallt, trotzdem wurden wir nochmals 10 Tage ununterbrochen bedudelt, was jedoch etwas besser zu ertragen war. Bis Ende April haben dann hoffentlich alle ausgefestet...

Dafür freuten wir uns alle auf das „Pongala“, die grosse „Frauenkocherei“ in Trivandrum. Sage und schreibe 2,5 Millionen Frauen aus ganz Südindien trafen sich am 3. März zum grössten Frauenanlass der Welt, wie er im Guinessbuch der Rekorde eingetragen ist. Ein einmaliger Rekord! Leider bekam Malu unmittelbar vor der Abfahrt in die Stadt ihre Periode, so dass sie uns nicht begleiten durfte. Aus Sympathie blieb Savitha bei ihr und wir fuhren ohne die Mädchen los. Doch wir hoffen, dass im nächsten Jahr alle „rein“ sind für den grossen Anlass. Es ist halt immer so eine Sache mit den „Tagen“... Unsere Gruppe bestand aus 9 Leuten: Geetha mit ihrer Mutter, Omana, die Helferin und ihre Nichte aus Cochin, unsere 4 Gäste und ich. Wie jedes Jahr fuhren wir am Vorabend bereits in die Stadt und logierten im Hotel Lucya, das einzige Hotel, welches in der Nähe vom Attukal Tempel liegt. Am Abend ging Geetha mit ihren Frauen in den Tempel und ich mischte mich mit den Gästen unter die vielen Frauen, die sich ihre Kochstellen suchten oder sie besorgten sich noch die restlichen Zutaten für die morgige Kocherei. Es herrschte eine aufgeregte, fröhliche und laute Stimmung. Wie immer – kaum zu beschreiben, aber absolut genial!

Am nächsten Tag waren wir natürlich schon sehr früh auf den Beinen, haben die Gäste in Kerala-Saris gewickelt, sie bekamen Jasmingirlanden in die Haare und es herrschte eine erwartungsvolle Stimmung. Unsere Kochstelle hatten wir uns schon gestern reservieren lassen, mussten aber nochmals wechseln, weil der Watchman vom Hotel unsere Ziegelsteine um 02.00 Uhr morgens gegen den grossen Ansturm von Frauen nicht mehr verteidigen konnte. Er gab uns dafür einen anderen Platz, der sogar noch besser war. Die ganze Nacht über strömten noch tausende und abertausende von Frauen in die Stadt und suchten nach passenden Kochstellen. Während die Gäste mit Fotoapparaten bewaffnet durch die Strassen zogen, halfen wir einander bei den Kochvorbereitungen. In jeder Strasse waren kleine Tempel aufgebaut worden und über Lautsprecher wurde vom Haupttempel durchgegeben, wie weit der Priester mit seiner Pooja war und wie lange wir noch auf das ersehnte Feuer warten mussten, bis es endlich los ging. Während der Pooja schräg gegenüber von unserer Kochstelle spürte man förmlich die Energie, die Aufregung, die Demut und Hingabe der Frauen – alle beteten für das Wohlergehen der Familie, Gesundheit, gute Prüfungen, glückliche Ehen, für Kindersegen oder was auch immer. Ich war dabei wohl die einzige, welche die Göttin um ein neues Business-Visum bat... Um 10.45 Uhr war es endlich soweit! Der Hauptpriester im Attukal-Tempel gab das heilige Feuer weiter und bei jedem Gassen-Tempel wurde ein Feuer entfacht und an die Frauen weiter gereicht. Das ist immer der ergreifendste Moment des Tages und innert fünf Minuten liegt die Stadt jeweils unter einer riesigen Rauchglocke. Der beissende Rauch in den Augen, die flirrende Hitze, all diese geballte Energie der Gebete – die Tränen sind dabei kaum zurück zu halten und der Moment war dermassen emotional, dass das ganze vergangene Jahr auf mich einstürzte. Diese Stimmung ist kaum zu beschreiben und keine 1'000 Fotos können diese Empfindungen einfangen.

Mein Reiswasser begann als erstes zu brodeln - ein gutes Zeichen! Die weiteren Zutaten waren: Bananen, Jaggery, Kokosraspel, Sultaninen, Cashewnüsse und natürlich Ghee. Nach gut ¾ Stunden war alles fertig gekocht, die Töpfe wurden mit Bananenblättern zugedeckt und das wars eigentlich gewesen. In den heissen Mittagsstunden wurden die Frauen überall gratis verköstigt, Getränke wurden ausgeschenkt, alle suchten sich ein Schattenplätzchen und wir zogen uns naütrlich ins Hotel zurück zum Lunch. Bis dahin hatten wir noch nichts gegegssen, aber das ist an einem solchen Tag wie diesem auch gar nicht wichtig.

Um 14.45 Uhr ging das Pongala dem Ende entgegen und wieder gab es eine Pooja und die Götterspeisen wurden mit heiligem Wasser gesegnet. Das war das Aufbruchzeichen zum grossen Exodus aus der Stadt. Dieses Bild! Alle balancierten ihre gefüllten Töpfe mit dem ganzen Kochmaterial in grossen Taschen auf dem Kopf und strömten in Richtung Busse und Bahnhof, um die Opferspeisen zu Hause im Familien-, Verwandten- und Freundeskreis zu verteilen. Unglaublich!!! Wir liessen uns Zeit, warteten im Hotelzimmer, bis sich die Reihen etwas gelichtet hatten und Shibu in die Stadt konnte, um uns abzuholen. Wir quetschten uns zu zehnt ins Auto – dazu noch all die gekochten Götterspeisen, die Reisetaschen und was wir sonst noch dabei hatten. Es gab eine typische indische Fahrt – völlig überbelegt sassen wir aufeinander, der Rauch hing in den Saris, wir waren verschwitzt, alles klebte und wir waren zum umfallen müde. Trotzdem war es herrlich gewesen und wir sind hoffentlich auch im nächsten Jahr wieder in der Vollmondnacht zwischen Februar und März beim nächsten Pongala dabei.

In den folgenden Tagen hatte ich diverse Besuche zu Hause empfangen. Aus nah und fern kamen Freunde, um mein Häuschen zu besichtigen und einen besonders schönen Abend genoss ich mit Marion in Kovalam. Wir spazierten der Beach entlang, vorbei an den vielen kleinen Shops, genossen einen Apéro zum Sonnenuntergang und das gediegene Nachtessen liessen wir uns im schönen Taj-Hotel schmecken. So ein richtig gemütliches Dinner in aller Ruhe vermisse ich ab und zu. Mit Indern hat ein solcher Abend leider keinen grossen Genussfaktor. Sie gehen aus um die Bäuche zu füllen, wollen möglichst etwas vom Buffet, um nicht lange warten zu müssen, nach dem Dessert wird bezahlt und gegangen. Dazwischen wird gegessen und nicht getrödelt...

Marion war auch dieses Mal wieder die Hoffotografin vom Geethanjali. Im letzten Jahr hat sie all die vielen Beerdigungs-Zeremonien für Hans in Bildern festgehalten und dieses Mal war sie am Pongala sehr aktiv und hat viel geknippst. Im Geethanjali gab es eine grosse Fotosession mit der ganzen Familie und den Angestellten, da sie und ihr Sohn York uns helfen, eine Website fürs Geethanjali zu kreieren. Da wir immer mehr Anfragen aus dem Englisch sprechenden Raum bekommen, werden wir die Unterlagen auch übersetzen lassen. Ich hoffe, dass wir schon bald unter www... im Internet zu finden sind.

Savitha kam erst am 12. März wieder nach Hause. Wegen dem Tempelfest hatte sie sich bei Gopikas für 10 Tage einquartiert und danach blieb sie noch bis nach der ersten Staffel der Jahresabschlussprüfungen. Es machte natürlich mehr Spass mit Malu zu lernen. Während drei Wochen war sie im Geethanjali drüben, doch nach der letzten Prüfung kam sie gerne wieder nach Hause zu Mama. So soll es sein! Sie meinte, es sei jetzt genug und sie wolle doch nicht, dass ich immer alleine sei. Dabei muss ich sagen, dass ich während dieser Zeit die Ruhe zu Hause genossen habe, aber ich freute mich natürlich auch wieder auf meinen Sonnenschein. Danach hatte sie zwei Wochen „Lernferien“, bevor sie Ende Monat nochmals die letzten drei Prüfungstage hatte. Jetzt ist alles überstanden und wir hoffen, dass sie einigermassen gut über die Runden kam. Und jetzt geniesst sie ihre wohlverdienten Sommerferien, welche dieses Jahr aber nur von kurzer Dauer sein werden, weil es Ende April schon wieder los geht.

Mit Gopikas und den Gästen waren wir an einem sehr schönen Konzert von Parvathi Baul mit anschliessendem Dinner. Wir kennen Parvathi schon von einem früheren Konzert und Gopikas waren einmal mit den Gästen bei ihr zu Hause eingeladen. Sie setzt sich für die alte Baul-Traditionen aus Bengal ein und hat sich mit ihrem Mann ganz dieser Kunstform verschrieben. Eine völlig andere Tanz- und Gesangsart als die üblichen südindischen Tänze und Gesänge. Parvathi strahlt eine unglaubliche Engerie aus, zeigt Präsenz auf der Bühne und auch ohne Make-up wirkte sie im grellen Scheinwerferlicht sehr jung und attraktiv. Sie musizierte, sang und tanzte gleichzeitig. An den Füssen trug sie Glöckchen, mit der linken Hand schlug sie auf eine kleine Trommel ein, die auf Hüfthöhe über die Schultern hing, mit der rechten Hand zupfte sie an einem Saiteninstrument und dazu sang sie, tanzte und wirbelte auf der Bühne herum, wobei sie ihre natürlichen Rastalocken hüpfen liess.

Ende Monat gabs dann nochmals einen kulturellen Ohrenschmaus, als wir mit den Gästen an einem klassischen Konzert waren im Rahmen des „Swati Tirunal Sangeeta Sabha“ Musikfestes. Unglaublich, wie die Instrumente miteinander „kommunizierten“. Doch als die Bäuche knurrten, verliessen wir das Konzert und dislozierten ins Hotel. Das hier hier absolut üblich – man kommt und geht, wie es gerade gefällt und niemand stört sich daran.

Vor Jahren lernten Hans und ich Mr. Sreenivasan kennen, als wir zu einem Dinner im Königspalast eingeladen waren. Er war früher indischer Botschafter und lebte lange Zeit in Wien. Doch erst vor einem Jahr lernte ich ihn etwas näher kennen, als er und seine Frau als Ehrengäste zu einem Pianokonzert eingeladen wurden, welches Julian zu Ehren von Hans gab. Damals bekam ich seine Visitenkarte und sie luden mich ein, ihn mal zu besuchen. Ich entschied mich, ihn um Rat zu fragen wegen dem Visum. Ich hatte in der Zwischenzeit versucht, Infos von der Indischen Botschaft in Sri Lanka zu bekommen, ob ich ein neues Business-Visum von dort aus beantragen kann. Aber wie erwartet, bekam ich keine Antwort auf meinen eingeschriebenen Brief und telefonisch wurde ich verbunden und verbunden, bis wieder aufgehängt wurde. Und dann stellte sich heraus, dass es von dort aus auch nicht geht. Also wieder nichts. Ich wurde von Mr. Sreenivasan in seinem schönen Haus in Trivandrum empfangen, wo er sich Zeit für mich nahm und wir uns sehr nett unterhielten. Doch leider ergab das Gespräch auch keine neuen Erkenntnisse. Zu Hause habe ich dann seine Visitenkarte studiert und erst da realisierte ich, welch „hohes Tier“ ich heute besucht hatte. Die früheren Positionen und Ämter, die er inne hatte und auch die aktuellen Aktivitäten lasen sich mehr als beeindruckend. Wow, da konnte ich ja direkt stolz auf mich sein, dass ich dieses Treffen arrangiert hatte, dass ich empfangen wurde und das Gespräch so flott lief – und das in Englisch! Hätte ich mir vor zwei Jahren noch nicht zugetraut! Dafür bekam ich dann am gleichen Tag Bescheid aus Cochin. Es wird jetzt versucht, dass ich direkt ein neues Business-Visum bekomme. Das wäre natürlich absolut genial. Also werde ich mich zurück lehnen, warten, hoffen und beten, dass es doch noch klappt und ich im Sommer nicht in die Schweiz zurück muss.

Am Samstag, 17. März, fand ein Grossanlass im KIMS Hospital statt. Da ich Aktionärin bin, wurde ich zur Award-Verleihung eingeladen. Savitha war meine Begleitung und wir haben uns beide schön heraus gepützelt und liessen uns von Shibu nach Trivandrum fahren. Was uns da erwartete, war absolut überwältigend. Als wir über den roten Teppich schritten, standen mehr als 50 Krankenschwestern in ihren Kerala-Saris mit Öllämpchen Spalier zum riesigen Festzelt, welches extra für diesen Anlass aufgestellt wurde. Fotoapparate und Videokameras blitzten ununterbrochen, während die Blasmusik zum Empfang aufspielte. Wir wurden wie Ehrengäste behandelt und durften in der dritten Reihe beim Mittelgang sitzen. Neben uns noch ein paar Pressefritzen und davor die Ehrengäste, die später auf der Bühne Platz nahmen. Ich werde als „Hans-Muller’s-wife“ noch immer sehr geehrt und respektiert. Alle lokalen TV-Stationen waren anwesend und über 20 Kamera- und Videomänner, sowie Fotografen waren im Einsatz. Das ganze Geschehen wurde auf zwei Grossleinwände neben der Bühne live übertragen und da die Kamera immer wieder ins Publikum schwenkte, war mein oranger Sari ein absoluter Blickpunkt. Zudem gab es nicht sehr viele Ausländer, ausser den geladenen Delegationen aus Australien, die auch sehr beeindruckt waren von der ganzen Aufmachung. Da hatte sich das KIMS wirklich etwas einfallen lassen und es wurde kein Aufwand gescheut in Sachen Technik und Dekoration. Alles was Rang und Namen hatte war dabei, darunter auch Mr. Sreenivasan und das ganze KIMS-Board kenne ich natürlich. Ein richtiges gesellschaftliches Ereignis und Savitha und ich genossen den ungewohnten Rummel.

Am Sonntag war dann „Kontrastprogramm“ angesagt, welches aber genauso schön und natürlich viel gemütlicher war. Wir machten einen Frauenausflug in den Veli-Park in der Nähe vom Flughafen. Der Park liegt an einem Backwaterarm mit Meeranstoss. Wir füllten ein Ambassadortaxi mit Salina, ihren Töchtern Jasmi und Susmi, Valsala, Savitha und Mama. Der Veli-Park wird gerne von den einheimischen Familien aus Trivandrum besucht, besonders an den Wochenenden und natürlich zum Sunset. Das ideale Sonntags-Vergnügen. Wir spazierten durch den Park, schleckten Ice-Cream, schmatzten Popcorn und beobachtenten all die vielen Familien. Wir verzichteten auf die Bootsfahrt und auch auf das Reiten auf den vier alten Ackergäulen, dafür freuten sich die Kinder auf den kleinen Vergnügungspark. Das Riesenrad wurde mehr oder weniger von Hand angetrieben und war gar nicht so riesig, machte aber trotzdem viel Spass. Die Mädchen setzten sich auf dem Karrussell in einem Jeep und die alte, kleine Dampflok liess die Kinder in dunklen Wolkenschwaden im Kreis herum tuckern. Wir versuchten alle unser Glück beim Ringspiel, wo Seife, Talkumpuder oder Guetzli gewonnen werden konnten, wenn der Preis mit dem Ring getroffen wurde. Doch leider war nur Salina das Glück hold und alle freuten sich mit ihr, als sie eine Seife gewann. Im Schatten an der Beach gabs eine Teerunde und danach spielten wir auf der grossen Wiese. Den erholsamen Abend beendeten wir in einem Schnellimbiss bei Chicken-Kebab und Pepsi in Kazhakuttom. Wir genossen alle den lustigen Weiberabend und ich hoffe, es wird sich während den Sommerferien nochmals eine Gelegenheit ergeben, einen solchen Ausflug zu organisieren. Dann vielleicht nach Varkala, wo wir auch unsere ehemalige Nachbarin Mani mitnehmen werden, die noch immer sehr an uns hängt und uns vermisst.

Es wurde ungewöhnlich heiss im März – eigentlich zu früh für diese Jahreszeit. In meinem kleinen Büro in der oberen Etage, direkt unter dem Flachdach, hatte ich am Nachmittag immer 35° und so wurde ich gezwungen, einen Gang runter zu schalten. Es ist ruhiger geworden und so habe ich wieder Zeit, mal ein Buch zu lesen oder auf der Dachterrasse zu liegen. Wir haben die Siesta nach dem Mittagessen wieder eingeführt und erst nach der Tea-Time um 16.00 Uhr geht das Leben wieder weiter. Wir hoffen, dass die Sommergewitter schon etwas früher einsetzen werden. Zwei oder drei Gewitter hatten wir schon und obwohl sie weder eine Abkühlung, noch der Natur etwas brachten, haben sie doch den Staub gebunden und alles sah danach wieder frisch und sauber aus. Ich habe aber trotz der Hitze immer darauf geachtet, dass ich mein tägliches Training einhalte, auch wenn der Schweiss schon rinnt, bevor ich aufs Laufband steige. Aber es tut gut und nach der ersten Überwindung ist alles nur noch halb so schlimm.

Die Touristensaison geht langsam dem Ende entgegen, doch im Geethanjali haben wir noch immer bis Mitte April alle drei Zimmer besetzt. Danach gibts auch für die Familie kurze Ferien und die Angestellten können nach Hause, bevor am 4. Mai die neue Saison beginnt und ab Ende Mai werden wieder alle 3 Zimmer ausgebucht sein. Wir sind alle froh, dass es so gut läuft und ich hoffe, es wird unsere beste Saison seit Bestehen vom Geethanjali. Es hat sich überall herum gesprochen, dass wir für Ayurvedakuren ein Geheimtip sind und so funktioniert die Mund-zu-Mund Propaganda wunderbar.

Am 26. März wurden wir zur ersten Geburtstagsparty von Sanya im Nachbarhaus eingeladen. An die 20 Verwandte trafen sich und wir waren die einzigen „Auswärtigen“. Es hat mich sehr gefreut, dass Vater Jusuf uns einlud, er fährt mich oft mit der Rikscha ins Dorf zum Einkaufen und deshalb gehören wir auch fast zur Familie. Sanya wusste gar nicht, wie ihr geschah, als sie mit ihrem Vater die Torte anschnitt und wir alle „Happy Birthday“ sangen und klatschten. Sofort wurde mir ein Stuhl hingestellt und die Grossmutter fummelte an einem alten Fotoapparat herum und postierte alle Frauen und Kinder um mich herum. Ich kam mir vor wie die Oma inmitten ihrer Lieben. Dass mir als einzige einen Stuhl angeboten wurde, war typisch indische Gastfreundschaft und galt als Respekt mir gegenüber. Hat eigentlich mit dem Alter nichts zu tun. Die anderen gesellten sich zu mir, es ging laut und fröhlich zu und her und das ganze Esszimmer war mit farbigen Papiergirlanden und Ballons dekoriert. Deshalb war es auch ganz selbstverständlich, dass ich in der ersten Session essen durfte. Wie üblich bei Muslimfamilien gab es ein herrliches Chicken-Biryani, was ich eigentlich viel mehr mag als die Hindu-Festessen, das Saddhya. Der TV plärrte lautstark, die Malayalam-Unterhaltungen sind auch immer sehr laut und die kleine Sanya schrie auch viel, weil sie von Arm zu Arm gereicht wurde und ständig etwas tun sollte – flying kiss, shake hand, say bye bye und was sonst noch alles. Da wäre mir auch sturm geworden. Doch als sie dann nicht mehr mochte, schloss sie einfach die Augen und schlief – während um sie herum das Geschnatter weiter ging. Hier nimmt niemand Rücksicht auf schlafende Kinder.

Einen Tag später gabs bei Salina drüben noch grosse Aufregung am Morgen. Susmi die 11-jährige Tochter bekam ihre Periode! Ich erinnere mich noch gut daran, als es bei Savitha vor genau 3 Jahren los ging und wir uns an all die ungewohnten Regeln halten mussten. Jetzt bleibt Susmi für 7 Tage zu Hause, für sie wurde ein extra Zimmer hergerichtet, wo sie weiblichen Besuch empfangen darf, wo sie aber auch in der Nacht alleine schlafen wird, was sehr ungewohnt ist, weil sie ihr Bett bis jetzt immer mit ihrer Schwester teilte und auch die Eltern schliefen im selben Raum. Sie muss sich an eine spezielle Diät halten und noch viele andere Regeln müssen beachtet werden. Am 2. Mai sind die 7 Tage vorbei und es wird eine spezielle „Mens-Party“ für sie arrangiert. Salina hat uns dazu bereits eingeladen. Alle Verwandten werden kommen, Susmi bekommt neue Kleider, den ersten Schmuck von Verwandten und sie wird gefeiert wie eine kleine Braut. Ich freue mich darauf. Und natürlich darf der Biryani-Schmaus nicht fehlen.

Im Mai werde ich mit Geetha wieder Grosseinkäufe machen für die Merlotscha-Foundation. Wir decken uns ein mit Schulsäcken, Schulmaterial, Lunchboxen, Wasserflaschen, Schuhen, Uniformstoffen und auch Geld für den Schneider soll bereit liegen. Der Schulbeginn am 1. Juni ist für die armen Familien immer eine grosse Bürde und ich möchte auch in diesem Jahr wieder einige Familien unterstützen. Ich biete seit einem Jahr den Gästen vom Geethanjali geführte Shoppingtouren an, die sehr gut ankommen und von den 500 Rupies pro Nachmittag, gehen 300 an die Foundation. Das ist mein Beitrag für die Stiftung und wenn noch der eine oder andere „Batzen“ dazu kommt, kann ich noch mehr Familien unterstützen und sehe schon jetzt die leuchtenden Kinderaugen, wenn sie wieder korrekt angezogen und bereit sind für das kommende Schuljahr.

In diesem Sinne wünsche ich allen einen schönen Frühling und frohe Ostern.

Liebe Grüsse

Yvonne und Savitha